Profilbildung ist grundsätzlich eine strategische Aufgabe. Aber gleichzeitig muss man auch eingestehen, dass Profilschärfung „von oben“ so seine Tücken hat: wenig nachhaltig und oft als Marketing missbraucht. Matthias Nauerth und Michael Lindenberg, Professoren an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie in Hamburg (Rauhes Haus), plädieren für eine „Profilschärfung von unten“, ausgehend von denjenigen Mitarbeitern, denen diakonische Profil selbst ein Anliegen ist.
Nauerth und Lindenberg gehen davon aus, dass die organisierte Diakonie durch die Ökonomisierung ununterscheidbar geworden ist. Gemeinhin wird das Gegenteil behauptet: Die Marktorientierung zwinge zu einer eindeutigeren Unterscheidbarkeit. Irrtum, denn
„die betriebswirtschaftliche Rationalität innerhalb der Träger und Einrichtungen wirkt wie ein Windkanal, in dem alles ähnlich geformt wird und sich tendenziell angleicht. Als Betriebe auf Sozialmärkten kämpfen diakonische Träger und Einrichtungen in Konkurrenz mit anderen Anbietern um schwarze Zahlen. Sie haben seitens der Kostenträger enge Vorgaben und für ihre eigensinnige Gestaltung von Hilfen geringere Handlungsspielräume. Diese Handlungsspielräume werden auch nicht nachgefragt, und wenn, dann ausschließlich in der marktförmigen Qualität eines ‚Alleinstellungsmerkmals‘. Daher sind sie gefordert, sich den wirtschaftlich zweckrationalen Strukturen anzupassen. Hierbei stehen sie in der Gefahr, dem Ziel, als Anbieter Sozialer Dienste auf dem Markt zu überleben, in zunehmendem Maße jene Profile zu opfern, die sie unterscheidbar sein ließen“ (S. 3).
Daher liegt die Gefahr auf der Hand, dass alle gegensteurernden Profilierungsbestrebungen oberflächlich bleiben, dass sie nur zu Reklamezwecken dienen (S. 4), wie zum Beispiel eine „Markensicherung des Unternehmens im Wettbewerb“ oder die „fatale Inszenierung einer Glaubensgemeinschaft, die es so nicht gibt“ (S. 6). Deshalb plädieren Nauerth und Lindenberg eben für eine Profilschärfung von unten.
„Was folgt daraus für diakonisch orientierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Diakonie, die diese Verstrickungszusammenhänge sehen können, aber nicht passiv und fatalistisch werden wollen? Der Vorschlag lautet: Profilschärfung von unten. Dies meint, die Debatten um diakonische Identitäten und Profile in persönlich interessierten und verantwortlichen Kreisen zu forcieren, gleichzeitig aber zu verhindern, dass deren Ergebnisse lediglich als ‚Schmieröl in die Maschinerie der Sozialunternehmen‘ eingespeist werden.“ […] Es geht darum, „sich im ersten Schritt des eigenen diakonischenAuftrags zu vergewissern, um dann, ausgehend von dieser Gewissheit, erneut zu erarbeiten, wie fachlich und menschlich gearbeitet werden müsste, welche Bedingungen, Strukturen und Ressourcen hierfür benötigt werden und was einer solchen Arbeitsausrichtung im Weg steht. Auf dieser Basis können dann die Verbindungen (bzw. Koalitionen) mit all jenen Kolleginnen und Kollegen gestärkt werden, die solche Ziele und Prinzipien teilen, nicht aber notwendig deren christliche Verankerung. Schließlich könnte im letzten Schritt gemeinsam darum gerungen werden, entsprechend diesem eigensinnigen Auftrag arbeiten zu können“ (S. 5).
Das ist doch ein interessanter Ansatz. Es werden diakonische Prinzipien und Arbeitsziele entwickelt, und zwar prozessual, induktiv (diakonische Identität kann eben nicht deduktiv abgeleitet werden – woher auch?) und wahrscheinlich nachhaltiger als bei „von oben“-Ansätzen.
Und damit das Ganze auch die Bodenhaftung behält, steuern die beiden Autoren noch eine ganz vernünftige Frage bei, die immer wieder an das „Diakonische“ gestellt werden muss: „Geht das bei uns, und wenn es geht, wollen wir das?“.