Archiv der Kategorie: Zivilgesellschaft

Musikalische Gemeinwesenarbeit

Im forum erwachsenenbildung (Ausgabe 4/2014) bin ich auf einen anregenden Artikel von Julia Koll gestoßen über die „Perspektiven kirchenmusikalischer Erwachsenenbildung“. Was das mit dem Thema dieses Blogs zu tun hat? Einiges. Aber ich muss einen absatzlang ausholen.

Gegenwärtig scheint es in der Kirchenmusik einen gewissen Turn zu geben, „Musik nicht nur als musikalischen Text zu verstehen, sondern vor allem als Musizieren“ (S. 29). Und das gemeinsame Musizieren lässt sich natürlich auch als Bildungsgeschehen verstehen – in kultureller, kognitiver, emotionaler, körperlicher, kommunaler, sozialer, religiöser und kirchlicher Hinsicht. Eine Gefahr kirchenmusikalischer Praxis besteht allerdings darin, Bildungsschranken eher zu verstärken als abzubauen. Denn auch wenn es anders gewollt ist – de facto begünstigen kirchliche Angebote oft Exklusionsmechanismen. Und so stellt Julia Koll am Ende ihre Artikels eine interessante Frage:

Noch viel stärker als bisher könnten allerdings auch produktive Verbindungspunkte zwischen Erwachsenenbildung und musikalischer Gemeinwesenarbeit geschaffen werden – von beiden Seiten aus. Wer spricht gegenwärtig schon von kirchenmusikalischen Potenzialen für die kirchliche Weiterbildungs-, Sozial- und Diakoniearbeit? Bekäme der Bildungsauftrag der Kirchen dadurch nicht einen ganz neuen Klang, einen lebendigeren und gerechteren? (S. 33)

Welches Potenzial hat die Kirchenmusik das Kirchenmusikmachen für die Diakonie? Und wie könnte eine Verbindung von Musikmachen und Gemeinwesenarbeit aussehen? Je nach Blickwinkel kommen mir sehr unterschiedliche Projekte in den Sinn. Diese sind noch keine Antworten auf die genannten Fragen, ab vielleicht sind es erste Anregungen…

Beginne ich meine Suche bei den Kirchengemeinden, fällt mir auf, dass es Gemeinden mit musikalischem Schwerpunkt gibt, die fast schon richtige Musikschulen betreiben. Gute Sache. Ihren Bezug zum Gemeinwesen könnte sie durch eine Entwicklung zum „Jeki-Ritter“ noch deutlich stärken.

Hier können Kirchengemeinde in guter Art und Weise ihren Bildungsauftrag, gemeinwesenorientiertes Engagement, kulturelle Teilhabeförderung und die Pflege der eigenen Tradition miteinander verbinden. Und vielleicht entstehen ja auch genau in dieser Hinsicht durch die Initiative Vision Kirchenmusik der Hannoverschen Landeskirche gute Projekte.

Ganz andere Ideen kommen mir in den Sinn, wenn ich nicht von der Kirchengemeinde her denke, sondern vom Gemeinwesen selbst, vom Quartier, Stadtteil, Veedel oder Kiez. Dann geht es natürlich nicht ums Kirchenmusik-Musizieren. Sondern ums Community Singing beispielsweise. Ob das in Deutschland tatsächlich ein (kommender?) Trend ist, kann ich nicht sagen. Aber es passt durch seinen zielgruppenübergreifenden Ansatz wunderbar zur Gemweinwesenorientierung. Schöne Beispiele hier in Köln sind die Initiative Loss mer singe oder das Kneipensingen wie der Singende Holunder.

Ob das schon musikalische Gemeinwesenarbeit ist? Zumindest lohnt es sich bestimmt, in diesen Richtungen zu suchen und weiterzudenken.

Diakonisches Engagement

Nachdem ich das Dossier zum ehrenamtliches Engagement zusammengestellt habe, möchte ich jetzt noch ein paar grundsätzliche Gedanken zum Thema „Engagement“ anbringen – ich beschränke mich dabei auf den diakonischen Kontext. Ein guter Ausgangspunkt ist dafür das folgende Zitat:

„Es wird in Zukunft nicht ausreichen, mehr Menschen für mehr ehrenamtliche Tätigkeiten zu gewinnen, sondern es geht um eine völlig neue Grundhaltung zum zivilgesellschaftlichen Engagement. Wir werden unsere Lebensqualität nur erhalten können, wenn wir Menschen aller Generationen, Kulturen und Milieus aktiv an der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens beteiligen. Wir müssen sie motivieren, Verantwortung für das Miteinander in Nachbarschaft und Wohnumfeld zu übernehmen“

So formuliert es die Imagebroschüre Miteinander anders Quartiere neu gestalten (PDF) des Evangelischen Zentrums für Quartierentwicklung, einem gemeinsamen Netzwerk der Diakonie RWL und der Evangelischen Erwachsenenbildung Nordrhein.

Ein guter Ansatz. Es geht dann in erster Linie gar nicht so sehr um die Perfektionierung von organisatorischen oder organisationalen Aspekten des Freiwilligenmanagements, sondern es geht um einen anderen Blick auf das, was wir „Engagement“ nennen. Engagement ist zuerst und vor allem ein Akt der Weltgestaltung. Engagement ist das Gestalten von Lebensverhältnissen – die eigenen und die anderer – um die Welt etwas lebenswerter zu machen.

Vor diesem Hintergrund bin ich überrascht, von welchem Engagementverständnis eine Expertengruppe des Diakonie-Bundesverbandes ausgeht, die sich mit der Weiterentwicklung des diakonischen Engagements beschäftigt hat. Soeben sind ihre „10 Thesen zur Weiterentwicklung von Freiwilligem Engagement“ veröffentlicht worden, in der die Konsequenzen aus der aktuellen Diakonie-Ehrenamtsstudie formuliert werden. Kurz gesagt sind es recht allgemeine Wohlfahtsverbands-Thesen, die den gegenwärtigen Stand der Engagementforschung wiedergeben. Das ist durchaus solide, aber da es ja um die Weiterentwicklung diakonischen Engagements gehen soll, erstaunt mich dann doch, wie „traditionell“ dort ehrenamtliches Engagement gedacht wird:

  • Freiwilliges Engagement wird in in dem Papier ausschließlich als ein Handeln für andere verstanden, für die „Nutzer“ diakonischer Dienste. Diakonisches Engagement meint also die klassische Fürsorge der Ehrenamtlichen, die denen helfen, die sich im Gesellschaftsranking weiter unten befinden.
  • Zudem bleibt freiwilliges Engagement in den „10 Thesen“ ausschließlich dem „Dienstleistungs-Paradigma“ verhaftet. Das ist zum Teil verständlich, da sich die zugrundeliegenden empirischen Erkenntnisse ja auf das Engagement in diakonischen Einrichtungen beziehen. Aber „Diakonie“ kann auch als Teil zivilgesellschaftlicher Bewegung verstanden werden. Daher sollte ein gesellschaftspolitisches Engagement zumindest Erwähnung finden. Und wie verhalten sich freie/private christliche Initiativen als eine wichtige diakonische Engagementform zur Verbands- und Einrichtungs-Diakonie? Ich bekomme den Eindruck, dass diakonisches Engagament jenseits diakonischer Organisationen nicht wirklich relevant sei.
  • Und drittens fehlt die Auseinandersetzung mit „engagementfernen“ Gruppen. In der 6. These ist lediglich zaghaft von „ferneren Zielgruppen“ die Rede. Doch für mich wäre dies ein Grundanliegen der Diakonie: das freiwillige Engagement aus der „Nische“ der bürgerlichen Mittelschicht herauszuholen. Das Potenzial dazu hätte die Diakonie durchaus – gerade auch im Unterschied zu Kirchengemeinden!

Alles in allem gewinne ich den Eindruck: In der Diakonie scheint es hauptsächlich eine Form des freiwilligen Engagements zu geben, nämlich unentgeltlich Fürsorge zu leisten. Das ist nicht schlecht (keinesfalls!), es ist aber eine Verengung von dem, was „Engagement“ bedeuten kann. Und es beschreibt halt den status quo diakonischen Engagements – nicht dessen Weiterentwicklung.

Engagement wird zu schnell als unentgeltliche Dienstleistung verstanden – und das ist leider eine konzeptionelle Sackgasse. Denn Engagement meint erst einmal schlicht und einfach den persönlichen Einsatz für etwas. Engagement ist die Art der Anstrengung, Lebensverhältnisse zu einem besseren zu kehren, die über den „normalen“beruflichen oder familiären Einsatz hinausgeht.

In meinen Augen sind vor allem zwei Aspekte wichtig:

  • Freiwilliges Engagement sollte nicht ausschließlich als unentgeltlicher Fürsorgedienst verstanden werden.
  • Freiwilliges Engagament muss viel stärker ein gesamtgesellschaftliches Phänomen werden, es geht also um die Ausdehnung auf zur Zeit noch „engagementferne“ Gruppen – damit sind diejenigen gemeint, die in einem traditionellen Verständnis nur als Engagement-Empfänger verstanden werden.

Gut gebrüllt, Löwe. Aber wie kann das gelingen? Drei Hinweise dazu:

Stichwort „Geben und Nehmen“: Rund um den Keywork-Ansatz stößt man immer wieder auf eine interessante Engagement-Kette: Ich für mich – Ich mit anderen für mich – Ich mit anderen für Andere – Andere für mich. Dieses Konzept unterschiedlicher Engagement-Phasen geht auf Sylvia Kade zurück. Die klinischen Grenzen zwischen Geben und Nehmen werden organischer. Ich halte dies für ein sehr fruchtbares Engagementverständnis.

Stichwort „engagementferne Gruppen“: Eine wichtige Gruppe für die Engagementförderung sind Menschen mit Migrationshintergrund. Mittlerweile gibt es vielfältige Ansätze, auf diese Menschen verstärkt zuzugehen und ihre Ressourcen zu nutzen – wie zum Beispiel das Konzept der Stadtteilmütter oder eigens entwickelte Fortbildungen für „Menschen aus aller Welt“, die sich gerne in ihrem Umfeld engagieren wollen, aber auf kulturelle Engagementhindernisse stoßen. Eine bislang völlig vernachlässigte Gruppe Engagierter sind Menschen mit Behinderungen. Allein das Wort „Behinderung“ scheint schon Engagement-Bedarf zu signalisieren – und eben nicht Engagement-Bereitschaft. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Projekt „selbstverständlich freiwillig“ der Diakonie Hamburg, das Menschen mit Behinderung unterstützt, selbst freiwillig tätig zu werden. Schwierig scheint es gegenwärtig vor allem zu sein, Menschen in prekären und marginalisierten Lebenssituationen für ein Engagement zu gewinnen. Wie können sie gestärkt werden, in dem sie sich selbst engagieren? Mir ist hierzu wenig bekannt.

Stichwort „Welt gestalten“: Wenn man freiwilliges Engagement in erster Linie als die Gestaltung der (eigenen und fremden) Lebensumstände versteht, kann man in der eingangs zitierte Broschüre „Miteinander anders Quartiere neu gestalten“ eine interessante Haltung entdecken. Das Evangelische Zentrum für Quartierentwicklung möchte in seinen Beratungen und Fortbildungen die Menschen ermutigen, selbst initiativ zu werden und ihre Gestaltungskraft zu entdecken. In der Imagebroschüre werden daher Impulse aus der Kunst aufgegriffen. Genannt werden Joseph Beuys mit seiner Idee der „sozialen Plastik“, die Schaffensweise von Pina Bausch und die Installation „Frühbeet der Ideen“ des Objektkünstlers Ilya Kabakov. Und warum? Wenn es darum geht, Welt zu gestalten, liegt es doch nahe, sich von Leuten inspirieren zu lassen, die in anderer Art und Weise gestalterisch tätig sind. Das wird alles nur ganz kurz angerissen, aber diese Haltung gefällt mir.

Sicherlich gibt es noch eine Menge mehr Stichworte, die man hier aufführen könnte. Aber so in diese Richtung könnte ich mir eine Weiterentwicklung diakonischen Engagements vorstellen.

tl;dr
Die Weiterentwicklung des freiwilligen diakonischen Engagements ist für die Diakonie ein zentrales Thema. Das braucht viel Engagement.

Neues Dossier zum ehrenamtlichen Engagement

Das vierte diakonisch.de-Dossier ist nun online. Ich habe einmal alles zusammengestellt, was mir an Netz-Ressourcen zum diakonischen und kirchlichen ehrenamtlichen Engagement in die Hände gefallen ist (nun ja, manches musste ich auch mühsam suchen…).

Hier geht’s zum Dossier Ehrenamtliches Engagament!

Bis auf den Freiwilligensurvey, dem Flaggschiff der deutschen Engagementforschung, habe ich nur Materialien aufgenommen, die einen spezifischen diakonischen und/oder kirchlichen Bezug haben bzw. die von Kirche und/oder Diakonie herausgegeben wurden. Das soll die Debatte nicht verengen. Ich musste das Dossier einfach begrenzen, und eine spezielle Engagement-Linksammlung von Kirche/Diakonie gab es bisher noch nicht (oder?).

Für den Titel des Dossiers habe ich den klassischen Begriff „ehrenamtliches Engagement“ genommen. Im kirchlichen Bereich ist es nach wie vor der gängige Terminus (Seidelmann 2012, S. 10). Im diakonischen Kontext findet man zunehmend Formulierungen, die die „Freiwilligkeit“ in den Vordergrund stellen. Hier gibt es aber auch einen fließenden Übergang zu den Freiwilligendiensten, die ich im Dossier nicht berücksichtigt habe (das wäre noch einmal eine ganz neue Linkliste). Auch deshalb bin ich einfach beim Klassiker „Ehrenamt“ geblieben. Die Wahl des Begriffs ist also keine politische, sondern eine pragmatische.

Ich hoffe, dass der Service gefällt!

Tauschnetzwerke im Freiwilligenmanagement

Dies ist ein Beitrag zur NPO-Blogparade „Freiwilliges Engagement attraktiver machen — aber wie?!“, die von Brigitte Reiser und Hannes Jähnert gehostet wird. Ich habe mich dazu mit Brigitte Reiser vom Blog nonprofits-vernetzt unterhalten. Hier sind unsere gemeinsamen Gedanken:

Martin Horstmann (MH): Wie kann man freiwilliges Engagement attraktiver machen?

Brigitte Reise (BR): Engagement wäre für viele attraktiver, wenn man sich credits erarbeiten könnte, die man einer hilfsbedürftigen Person in einer anderen Stadt oder Gemeinde wiederum in Form von freiwilligem Engagement durch andere zukommen lassen könnte. Denn die gestiegene gesellschaftliche Mobilität führt doch dazu, dass viele Familien und Bekanntenskreise getrennt sind. Man kann aufgrund dieser räumlichen Trennung hier nicht so helfen, wie man gerne möchte.  Wenn ich aber wüsste, dass mein Engagement in einer Stadt über Umwege und indirekt auch einer hilfsbedürftigen Person in einer anderen Kommune zugute kommt, – dann wäre dies doch ein sehr attraktiver (und tröstlicher) Gedanke.

MH: Das klingt ja nach einem Tauschring-Konzept. Ich engagiere mich an einer Stelle und bekomme an anderer Stelle – vielleicht sogar für jemand anderes, ganz woanders – wiederum freiwillig erbrachte Leistungen. Eine wunderbare Idee, finde ich. So etwas gibt es übrigens schon. Ich bin einmal bei einer Recherche auf „Fureai Kippu“ gestoßen. Ein ehrenamtliches Unterstützungssystem in Japan, mit dem Schwerpunkt auf Pflege, das als Tauschring mit Zeitkonten konzipiert ist.

BR: Ja, man könnte freiwilliges Engagement tatsächlich mit der Idee von Tauschnetzwerken kombinieren.  Allerdings kämpfen viele Tauschringe mit ähnlichen Schwierigkeiten: zu klein, überaltert, zu wenig Beteiligung usw. Das liegt ganz stark an der der lokalen Begrenztheit dieser Netze. Ein interessanter Blickwechsel könnte also sein: weg vom Raum, hin zum Träger! Man müsste überlegen, wie man innerhalb von Trägern – oder Trägergemeinschaften, aber das liegt eher noch weit in der Zukunft – solche Tauschsysteme etablieren kann.

MH: Und das pfiffige an dieser Idee wäre es dann, dass man diese Idee ins Freiwilligenmanagement der beteiligten Träger einbindet. Also: Wir kombinieren das Freiwilligenmanagement mit der Tauschnetzwerk-Idee. Und entgrenzen das ehrenamtliche Tauschnetz in dreifacher Hinsicht: Erstens kann über Zeitkonten das Einspeisen und Abrufen von Engagement zeitlich auseinanderfallen, zweitens ist In- und Output nicht auf eine bestimmte Region begrenzt und drittens könnte man ja auch noch überlegen, ob dies nicht auch noch bereichsübergreifend funktionieren könnte.

BR: Sehr ambitioniert! Aber vielleicht kann es uns gelingen, für diese Perspektive mehr Aufmerksamkeit zu generieren. Das könnte eine gute Diskussion in NPOs anstoßen.

MH: Im Grunde wären hier die beiden großen Kirchen mit ihren Wohlfahrtsverbänden die geborenen Trägerorganisationen dafür: Sie verfügen über flächendeckende Strukturen in ganz Deutschland, sie haben sozusagen ein riesiges Filialnetz, sie sind groß und was Freiwilligenmanagement und Ehrenamtskoordination angeht, sind sie mittlerweile gut aufgestellt. Da ist noch Luft nach oben, sicherlich, aber da ist in den letzten Jahren wirklich eine Menge Positives passiert.

BR: Ein anderer Ansatz wäre es, wenn die Idee nicht von einem Träger übernommen und „hochgezogen“ würde – was sicherlich viele Vorteile hätte – sondern wenn es eher eine freie Bewegung ist, ein Konzept, in das sich jeder Träger und jeder Verband, einklinken kann.

MH: Genauso funktioniert es beim Fureai Kippu. Es gibt anscheinend eine „Rechnungsstelle“, aber der Rest läuft dezentral und autonom über hunderte NPOs.

BR: Ja, beide Ansätze sind möglich. Aber schauen wir doch mal auf potentielle  Schwierigkeiten. Was stünde der Idee entgegen?

MH: Ich glaube das größte Problem liegt darin, wenn der Ausgleich nicht „aufgeht“. Es gibt engagementstarke und -schwache Regionen. Das kann man ja an dem Generali-Engagamentatlas gut sehen. Und was ist, wenn zum Beispiel alle Leute ihr Engagement in Kitas reinstecken wollen, aber ehrenamtliche Leistungen im Bereich der Altenhilfe rausbekommen wollen – mal etwas platt gesagt? Vielleicht sollte man doch erst einmal nur Zeit und Raum entgrenzen, sich aber auf einen Sektor bzw. auf ein Arbeitsfeld beschränken.

BR: Und das Problem der unterschiedlichen regionalen Verteilung?

MH: Vielleicht pusht so ein Konzept ja auch die Engagementbereitschaft noch einmal in ungeahnter Weise. Denn das ist ja wirklich ein sehr großer Attraktivitäts-Faktor. Es gibt aber noch eine andere Idee: Man könnte das Ganze ja nicht als tit-for-tat-Tausch aufziehen, sondern eher als Bonussystem. So wie bahn.bonus, zum Beispiel. Das heißt, es gibt einen Bonus-Faktor, für X Stunden bekomme ich nur einen gewissen Prozentsatz davon zurück. Dann würden zumindest die Spitzen abgefedert.

BR: Das gefällt mir. Ich will ja nicht alles eins zu eins verrechnen. Engagement ist ja keine pure Ökonomie, Engagement ist ja immer auch lustbetont und durchaus auch uneigennützig. Ich muss nicht alles wieder „rauskriegen“, das würde ja auch freiwilliges Engagement destruieren. Aber es wäre eine schöne Anerkennung.

MH: Genau! Und haben wir das freiwillige Engagement jetzt attraktiver gemacht?

BR: Absolut! Wir schauen, was draus wird.

Was ist Diakonie? (#10)

Im diakonischen Bereich wird oft erwähnt, dass die Diakonie zwei wichtige Funktionen erbringe, nämlich Dienstleistung und Anwaltschaft – also das Anbieten sozialer Dienstleistungen und das anwaltschaftliche Eintreten für die Rechte Marginalisierter. Doch beschreibt diese Doppelfunktion wirklich hinreichend das Spektrum diakonischen Handelns? Fehlt da nicht was?

Das Funktionen-Doppel von Dientsleistung und Anwaltschaft trifft es in meinen Augen nicht so richtig. Dabei geht es mir gar nicht darum, dass beide Funktionen gerne und oft kritisiert werden – das Erbringen diakonischer Dienstleistungen führt unweigerlich zu der Kritik, dass die Diakonie eh nur das tue, was sie bezahlt bekomme und der Anwaltschaftlichkeit wird vorgeworfen, dass sie vor allem Eigeninteressen des Trägers diene; zudem müsse man fragen, woher eigentlich das Mandat zum anwaltlichen Tätigsein komme, es handele sich viel eher um ein „angemaßtes Mandat“.

Ich finde an dieser Doppelfunktion vor allem schwierig, dass sie de facto zu einem Dualismus wird: einerseits gibt es da die durchökonomisierte Dienstleistungserbringung, andererseits das gesellschaftspolitische „anwaltschaftliche“ Engagement der Diakonie, das gern als die „eigentliche“ diakonische Aufgabe angesehen wird. Die Anwaltsfunktion wird so zu einer Chiffre für all das Gute, Wahre und Schöne der Diakonie – bleibt damit allerdings auch diffus. Die (gesellschafts-)politische Funktion der Diakonie ist aber breiter und facettenreicher, als es der Begriff „Anwaltschaftlichkeit“ hergibt.

Anwaltschaftlichkeit muss daher meines Erachtens präzisiert werden. Zum einen spreche ich lieber von Interessenvertretung, das kommt mit etwas weniger Pathos daher. Und zum anderen braucht es über das Eintreten für die Interessen bestimmter Gruppen hinaus auch noch eine gesamtgesellschaftliche Funktion: das Bemühen um eine solidarische und gerechte Gesellschaft im Ganzen. Daher gefällt mir auch die Trias gut, die die Caritas immer wieder nutzt, um ihr Selbstverständnis zu beschreiben: Dienstleister, Anwalt und Solidaritätsstifter.

Die Solidaritätsstiftung explizit als dritte Funktion zu bennen, finde ich sehr einleuchtend. Zum einen schon allein deshalb, weil Dreiermodelle grundsätzlich mehr Eleganz haben als Zweiermodelle (bzw. de facto-Dualismen). Zum anderen aber auch, weil es eben einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Anwaltschaftlichkeit/Interessenvertretung und Solidaritätsstiftung gibt. Er liegt in dem, worauf sich diese beiden Funktionen beziehen: Bei Anwaltschaft/Interessenvertretung geht es immer um die Durchsetzung von Partikularinteressen, bei der Solidaritätsstiftung um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es sind zwei verschiedene Bezugspunkte.

Doch in meinen Augen fehlt da immer noch etwas. Es gibt es noch eine weitere, vierte Funktion, die bisher in der Reflexion über die Diakonie bisher kaum auftaucht: die Funktion des Gemeinschaftsbilders.

Der Begriff der Gemeinschaft ist manchmal etwas romantisch aufgeladen und gerade in kirchlichen und diakonischen Szenen hat er hin und wieder etwas merkwürdige Konnotationen – mir ist daher eigentlich der englische Begriff der Community etwas lieber, denn es geht um die ganze Breite dessen, was „Community“ sein kann: Gemeinschaften, Gemeinden, Gemeinwesen, aber auch Szenen oder Netze.

Die Funktion des Gemeinschaftsbilders / des Community-Buildings ist noch nicht durch die anderen drei Funktionen abgedeckt. Und in meinen Augen ist sie auch gerade für die Diakonie wesentlich. Die Diakonie hat eben auch die Funktion, zu verbinden und zu vernetzen, Sozialkapital aufzubauen und Zugehörigkeiten zu ermöglichen. Es geht um angemessene und gelingende Formen von Vergemeinschaftung, es geht darum, „Communities“ (mit) zu ermöglichen, (mit) zu pflegen, und (mit) zu entwickeln. Die Zugehörigkeiten zu „Communities“ und das Eingebundensein in ihnen ist eben nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern hat einen Wert in sich – sowohl für den Einzelnen, wie für die Gesellschaft im Ganzen.

Interessant finde ich, dass ich auf die Funktion des Communty-Buildungs ja bereits in der Bratislava-Erklärung gestoßen bin (…wenn ich es recht sehe, ist diese auf osteuropäischen Erfahrungen aufbauende Erklärung bei uns völlig unbekannt – was schade ist!). Und in einem Blogbeitrag von Brigitte Reiser habe ich den Hinweis auf eine etwas anders formulierte Funktionen-Trias von Nonprofitorganisationen gefunden, die ebenfalls die Community-Dimension als grundlegend ansieht. Auch in Reisers erweitertem Modell (sie führt Beteiligung/Partizipation als vierte Dimension ein), bleibt die Community-Funktion selbstverständlich bestehen.

Gerade für die Diakonie ist die Gemeinschaftsfunktion im Grunde nicht neu (man denke nur an die Anstalten, Häuser und Wohngruppen, an Kommunitäten, Basisgemeinschaften und diakonische Gemeinschaften, aber auch an das (zaghafte) Experimentieren mit Genossenschaften. Als das war schon immer nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern ein Grundanliegen der Diakonie, deshalb erstaunt es mich ein wenig, dass ein Community-Buildung bisher nicht als eigenständige Grundfunktion von Diakonie diskutiert wird.

Man könnte auch einmal darüber nachdenken, ob nicht gerade die konfessionellen Wohlfartsverbände ein besonderes Interesse an der Community-Funktion haben müssten. Zum einen ist das Christentum keine individuelle Erlösungsreligion, sondern eine auf Gemeinschaft angelegte Religion, und zum anderen ist die ganze Kirchen- und Diakoniegeschichte ja voll von Erfahrungen und Experimenten mit Sozialformen – erfolgreichen und gescheiterten.

tl;dr
Diakonie ist nicht nur Dienstleister, Anwalt und (nicht zu vergessen!) Solidaritätsstifter, sondern auch Gemeinschaftsbilder.

Zivilgesellschaftsfähig werden

Der Diakonie-Bundesverband hat einen neuen „Diakonie Text“ veröffentlicht zur Rolle der Diakonie in der kommunalen Daseinsversorgung (Diakonie Texte 06/2012):

„Mit dem vorliegenden Papier will die Diakonie einen Beitrag zur Diskussion liefern, wie trotz dieser engen Rahmensetzungen Sozialpolitik in den Kommunen nachhaltig gestaltet werden kann und welche Rolle und Gestaltungsmöglichkeiten der Diakonie zukommen. […] Auch wenn der finanzielle Rahmen oft als einschränkend erlebt wird, kann er kein Argument dafür sein, auf eine engagierte Mitgestaltung der kommunalen Daseinsfürsorge
zu verzichten“ (S. 3).

Im Mittelpunkt stehen die Perspektiven, wie sich diakonische Träger vor Ort kommunalpolitisch und zivilgesellschaftlich positionieren können (Kapitel 5). Für die örtlichen diakonischen Träger werden ein knappes Dutzend Vorschläge gemacht (es folgen dann noch Vorschläge für die Landes- und Bundesverbandsebene), die mit konkreten Praxisbeispielen untermauert werden. Die Grundbotschaft lautet, dass Diakonische Werke durchaus gesellschaftspolitische Handlungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene haben.

Beim Lesen des Textes hatte ich den Eindruck, dass dieses Papier einen deutlich programmatischen Charakter hat: Hier geht es nicht nur um good practice-Beispiele, hier wird der Weg zu einem zivilgesellschaftlich verankerten Diakonieverständnis beschrieben. Schließlich ist die Diakonie nicht nur Träger von (mehr oder weniger refinanzierten) sozialen Dienstleistungen, sondern ganz besonders auch ein zivilgesellschaftlicher Akteur, der gesellschaftspolitisch Einfluss nehmen und Debatten vorantreiben will, sich als relevante Größe im Sozialraum und als verlässlicher Kooperationspartner der jeweiligen Gebietskörperschaften erweisen möchte.

Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Diakonische Einrichtungen und Verbände sind einerseits wichtige Akteure in der Zivilgesellschaft – müssen andererseits diese Rolle aber auch immer wieder unter Beweis stellen. Dass diakonische Träger Sozialdiensleistungen professionalisieren und unternehmerisch ausrichten können, wird wohl niemand mehr ernsthaft bezweifeln. Aber beim virtuosen Spielen auf der zivilgesellschaftlichen Klaviatur haben diakonische Träger durchaus noch Nachholbedarf. Dabei darf man Zivilgesellschaft nicht bloß als abzuschöpfendes  Ehrenamtsreservoir missverstehen. Für die Diakonie geht es ganz grundsätzlich darum, ihre eigene „Zivilgesellschaftsfähigkeit zu erhöhen“, wie es das Papier formuliert (S. 15).

Jeki-Ritter

Jeki – das ist die Abkürzung für das Projekt Jedem Kind ein Instrument.

„Der Name ist Programm: Jedem Grundschulkind des Ruhrgebiets soll die Möglichkeit offen stehen, ein Musikinstrument zu erlernen, das es sich selbst ausgesucht hat. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Musizieren der Kinder – von der ersten bis zur vierten Klasse. […] Jedem Kind ein Instrument“ ist ein Angebot, die Welt der Musik zu entdecken. Es richtet sich explizit an alle Kinder: Um die Integration unterschiedlichster Gruppen zu gewährleisten, gibt es Möglichkeiten der Beitragsbefreiungen.“

Ich habe keine konkreten Erfahrung mit dem Programm, ich kenne nur die Idee. Und die finde ich genial. Unabhängig von kulturellem Hintergrund und finanziellen Mitteln sollen Kinder die Möglichkeit haben, ein Instrument zu lernen. In der Regel lernt derjenige ein Instrument, in dessen Familie bereits musiziert wird. Gerade deshalb ist es wichtig, dass möglichst alle Kinder die Chance bekommen, in Berührung mit einem Instrument zu kommen. Es geht dabei nicht nur um musikpädagogische Ziele (die anscheinend auch kritisch gesehen werden), sondern es geht gerade auch darum, kulturelle Teilhabe zu ermöglichen.

Was diese Idee in meinen Augen so wertvoll macht, sind die Erfahrungen, etwas selbst zu machen, etwas zu können, etwas zu gestalten. Ich erkenne dabei: Die Welt ist formbar. Ich bin Urheber. Ich äußere mich und werde gehört. Ich lerne etwas zu wollen.

Jeki ist natürlich auch mit Problemen konfrontiert. Vor allem sind es Ressourcen- und Nachhaltigkeitsprobleme, gerade dann, wenn man das Konzept über das Ruhrgebiet hinaus flächendeckend installieren will. Im aktuellen rot-grünen NRW-Koalitionsvertrag wird die Idee, Jeki auf ganz NRW auszuweiten, skeptisch beurteilt. Dort heißt es:

„Das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ soll überprüft werden. Eine Ausweitung auf ganz Nordrhein-Westfalen ist in der ursprünglichen Ausrichtung des Projektes und der aktuellen finanziellen Lage nicht leistbar. Da musikalische Früherziehung nachweislich einen positiven Einfluss auf Kinder hat, wollen wir ein Konzept für NRW entwickeln, das auf den vielfältigen Ansätzen im Land aufbaut und an dem sich Kitas, Grundschulen und freie Träger beteiligen können.“ (NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen NRW: Koalitionsvertrag 2012 – 2017, S. 160).

Das Jeki-Anliegen ist auch ein kirchliches Anliegen: Teilhabe ermöglichen, Kulturgut pflegen und weitergeben, Selbstwirksamkeit erfahren, in Gemeinschaft die Welt gestalten. Kirchengemeinden können von Jeki profitieren, Jeki kann von Kirchengemeinden profitieren.

Zum Beispiel könnten nordrhein-westfälische Kirchengemeinden der Landesregierung ihre Ressourcen anbieten: Räume und Leihinstrumente. Oder sie könnten (flächendeckende) Angebote für die Kinder machen, die Jeki durchlaufen haben, aber weitermachen wollen. Dort, wo es Jeki nicht gibt, können Kirchengemeinden etwas Ähnliches aufziehen. Know How ist zum Teil da, die Infrastruktur sowieso. Es gibt engagierte Leute in den Gemeinden, die nur allzu gern eine „richtige“ Aufgabe hätten. Man kann sich natürlich auch einfach von dem Jeki-Gedanken anregen lassen und etwas Ähnliches machen, neben Musik gibt es ja noch andere Möglichkeiten kultureller Teilhabe.

Diakonischer geht’s nimmer. Und die Rolle des Jeki-Ritters wäre nicht die schlechteste für eine diakonische Kirche.

Diakonie als soziale Bewegung?

Mario Junglas, Direktor des Berlines Büros des Deutschen Caritaverbandes, hat einen inspirierenden Artikel zur Entwicklung der Caritas geschrieben. Die Caritas muss mehr Zivilgesellschaft wagen ist der Titel, erschienen ist er im neue caritas-Jahrbuch 2012. Ich will jetzt nicht übertreiben, aber der Artikel ist schon fast ein kleines Manifest. Und er gilt ohne Abstriche genauso für die Diakonie. Deshalb kann man ohne Weiteres auch immer Diakonie denken, wenn Junglas von Caritas spricht. Und weil der Artikel nicht online verfügbar ist, zitiere ich mal etwas ausführlicher. (UPDATE 2012-04-22: mittlerweile doch online)

Junglas‘ Anliegen ist es, die Caritas stärker als eine soziale Bewegung zu verstehen:

„Für die Caritas der Kirche genügte es lange, als Verein oder Gruppe, als Einrichtung und Dienst antreffbar zu sein. Das ist nicht vorbei, reicht aber nicht mehr aus. Caritas muss soziale Bewegung sein“ (S. 77).

Die Diakonie und die Caritas sehen sich ja immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, aufgrund der öffentlichen Refinanzierung eher ein unselbständiger Teil des Sozialstaats zu sein als ein autonomer Akteur. Und ein anderer, aber ähnlich gelagerter Vorwurf besagt, dass Caritas- und Diakonie-Einrichtungen durch ihre Ausrichtung als Unternehmen eher Teil des Marktes sind. Beiden Vorwürfen ist gemeinsam, dass die konfessionellen Verbände und Einrichtungen gar nicht in dem Maße Zivilgesellschaft sind, wie sie es immer wieder gerne betonen.

„Gerade die kritisierte Staatsnähe und Marktnähe machen aber die Rolle der Caritas als zivilgesellschaftlichen Akteur fragwürdig, trotz der vielen Ehrenamtlichen. Für viele ist die Caritas kein kreativ herausforderndes Gegenüber zu Staat und Wirtschaft, sondern selbst Teil dieser Ordnungen“ (S. 78).

Man könnte nun einfach sagen: Ja, und? Es ist doch eine Menge wert, dass Diakonie und Caritas leistungsstarke Träger (Unternehmen) und gefragte Sozialexperten (Verbände) sind. Dass stimmt und steht auch gar nicht zur Disposition. Denn Verbands- und Trägeraufgabe haben natürlich Vorteile…:

„Die Caritas ist hochverlässlich. Das ist ein Trumpf sowohl bei der Leistungserbringung als auch in der politischen Debatte und in der Lobbyarbeit. Mit der Verlässlichkeit korrespondiert zugleich eine hohe Berechenbarkeit. Von der Caritas sind in der Regel keine Überraschungen zu erwarten. Man kann sich nicht nur auf sie verlassen, man kann sie einkalkulieren.“

… aber auch Nachteile:

„Das kann uninteressant machen für andere innovative, veränderungswillige gesellschaftliche Kräfte und kann die Versuchung schüren, die Caritas einzurechnen ohne sie einzubeziehen. Als Bewegung kann die Caritas verlässlich bleiben, ohne vollständig berechenbar zu sein, weil sie das enge Korsett verbandlichen und unternehmerischen Handelns durch überraschende und herausfordernde Formen und Inhalte sprengt“ (S. 81).

Denn:

Die Caritas „muss auch noch politisch handlungsfähig sein, wenn Expertentum nicht gefragt oder inopportun ist und klassische Lobbyarbeit an ihre Grenzen kommt“ (S. 78).

Mario Junglas möchte in der Caritas also das Bewusstsein stärken, sich deutlicher als soziale Bewegung zu verstehen – das ist gemeint, wenn es im Titel seines Beitrags heißt: „Mehr Zivilgesellschaft wagen“. Aber es geht nicht nur darum, sich als Bewegung zu verstehen, sondern auch die Strukturen der Caritas dementsprechend neu auszurichten. Dabei soll die Handlungslogik der Bewegung nun nicht die beiden anderen Handlungslogiken verdrängen, sondern ergänzen. Die Caritas ist Kirche – und nutzt dazu eben die ganz verschiedenen Handlungs- und Kommunikationsformen einer Institution (Verband), einer Organisation (Unternehmen oder Einrichtung) und einer Bewegung (Zivilgesellschaft). Caritas und Diakonie erweitern also ihre Handlungs-, Kommunikations- und Mitwirkungsformen, wenn sie sich Logik und Instrumentarium sozialer Bewegungen öffnen.

Wirft man einen Blick in die Leitbilder von Diakonie (DW-EKD) und Caritas (DCV), kann man eine wundersame Entdeckung machen. Der katholische Verband betont ausdrücklich sein Verständnis als soziale Bewegung, bei dem evangelischen Verband ist dieser Gedanke nicht ganz so deutlich ausgeprägt. Man hätte es ja gerade anders herum erwarten können…

Im Leitbild des Deutschen Caritasverbandes heißt es im Abschnitt zum Organisationsprofil:

„(16) Der Deutsche Caritasverband ist Teil der Sozialbewegung. (…) (19) Er unterstützt den ehrenamtlichen caritativen Einsatz in Pfarrgemeinden, Verbänden, Gruppen und Initiativen. (…) (21) Er fördert die Idee einer Sozialbewegung und arbeitet mit sozial engagierten Menschen, Initiativen und Organisationen zusammen an der Verwirklichung einer solidarischen Gesellschaft“ (Leitbild Caritas, Abschnitt III).

Eine vergleichbare Aussage im Leitbild Diakonie lautet:

„Durch unsere Arbeit in den Kirchengemeinden, Diensten und Einrichtungen sind wir Menschen nahe. Selbsthilfegruppen und Initiativen finden bei uns ihren Raum.“ (Leibild Diakonie, 6.These).

Darüber hinaus steckt der Gedanke der Sozialbewegung noch in den Erläuterungen zur 4. These („Wir sind aus einer lebendigen Tradition innovativ“) als historische Wurzel und zur 8. These („Wir setzen uns ein für das Leben in der einen Welt“) bezogen auf das ökumenische Engagement der Diakonie. Überspitzt gesagt heißt das: Diakonie ist soziale Bewegung, aber hauptsächlich damals und woanders.

Man muss nun natürlich beachten, dass es sich hierbei lediglich um die papierene Wirklichkeit handelt, die faktische kann noch einmal ganz anders aussehen. Wie steht es mit der Idee der sozialen Bewegung in der Diakonie, unabhängig von vorhandenen oder nicht vorhandenen Leitbildformulierungen? 2006 ist ein Diakonie-Text erschienen mit dem aussagekräftigen Titel: „Kirchliche Soziale Arbeit und soziale Bewegung – eine Nichtbeziehung?“ (Diakonie Texte 12/2006). Diakonie und soziale Bewegung scheinen also eher ein Gegenüber zu sein. Daher geht Franz Segbers genau der richtigen Frage nach, wenn er sich in seinem Vortrag, der der Publikation zugrunde liegt, mit der Diakonie als soziale Bewegung beschäftigt. Segbers These lautet:

„Es reicht nicht aus, die halbierte Modernisierung der sozialwirtschaftlichen Dienstleistungsfunktion lediglich durch eine Professionalisierung der anwaltschaftlichen Funktion zu überwinden. (…) Erst wenn die Diakonie sich zivilgesellschaftlich definiert, kann sie in angemessener Weise auf die neue Sozialstaatlichkeit reagieren (…) Eine Diakonie, die nicht steckengeblieben ist in einer halbierten Modernisierung, wird zivilgesellschaftliches Engagement mit dem Ziel fördern, demokratische Strukturen zu beleben und Ausschlussprozesse zu verhindern“ (Franz Segbers: Diakonie als soziale Bewegung, Diakonie Texte 12/2006, S. 13, 13, 15).

Aus Mario Junglas‘ Plädoyer kann man zudem schließen, dass es mit der Caritas als soziale Bewegung auch noch nicht so weit sein kann, denn er wirbt schließlich leidenschaftlich dafür, sich dementsprechend neu auszurichten.

„Dass die Caritas (Teil der) soziale(n) Bewegung, „Bewegungsorganisation“ sein soll, ist eine alte, noch einzulösende Forderung ihres Selbstverständnisses. Ohne euphorisch zu sein, kann man feststellen: Die Zeiten waren dafür noch nie so günstig wie heute“ (S. 82).

Wie gesagt: eine lesenswerte Inspiration!

Von fetten und von mageren Jahren

Die Politikwissenschaftler Frank Walter und Johanna Klatt haben eine Studie zum Engagement von Menschen mit wenig Geld und niedrigem Bildungsgrad vorgelegt: die Entbehrlichen der Bürgergesellschaft. Zivilgesellschaft und freiwilliges Engagement sind vor allem bürgerliche Programme, für unsere Gesellschaft ist es aber von großer Bedeutung, dass und wie sich Menschen, die nicht zu dieser Schicht zählen, engagieren.

Es gibt ein Interview, in dem die beiden Autoren ihre Thesen vorstellen. Ich will hier nur auf einen Aspekt eingehen. Der kommt im Video ab 12’40, die zentrale Aussage ist:

Die nächsten fünfzehn Jahre werden Partizipationsjahre. (13’33)

In den nächsten fünfzehn Jahren wird es also zu einem Boom an bürgerschaftlichem Engagement kommen. Diakonie und Kirche werden in diesem Fahrwasser mitschwimmen und es genießen, denn sie sind in großem Maße die Profiteure. Das ist gut, und das sollen sie auch. Die meiner Meinung nach wirklich spannende Frage ist dann allerdings:

Was kommt danach?

Was kommt nach diesen fünfzehn fetten Engagement-Jahren? Ein Abflauen an ehrenamtlichen Engagement wird besonders die treffen, die sich immer mehr auf diese Ressource eingestellt haben, also gerade auch Kirche und Diakonie. Staatliche Sozialtransfers werden weiter abgebaut sein, so dass ein Wegfallen der Engagement-Ressource die Diakonie noch stärker in die Opfer-Rolle treibt: „Keiner gibt uns etwas, dabei sind wir doch so wichtig!“ Die Kirche wird versuchen, besonders ihre Homebase der mittleren und oberen Mittelschicht und des Bildungsbürgertums zu verteidigen. Gerade wenn die Engagementpotenziale in diesem Segment geringer werden, wird es anspruchsvolle Programme geben, um die entsprechenden Leute zu binden.

Unter der Voraussetzung, dass Walter und Klatt recht haben, heißt es daher: Nutzt die nächsten fünfzehn fetten Jahre für die darauf folgenden mageren Jahre! Konkret: Engagament darf in den nächsten anderthalb Jahrzehnten nicht bloß als ein Nullsummenspiel betrachtet werden, nämlich in dem Sinne, dass das ehrenamtliche Engagement einfach die zurückgehenden finanziellen Mittel ersetzt. Dann würde diese Ressource bloß verkonsumiert werden. In den kommenden fetten Jahren muss vor allem in die „Ressource Engagement“ selbst investiert werden.

Was ist damit gemeint? Hier ein paar Gedanken von mir, sicherlich noch nicht alles zu Ende gedacht…:

Gerade die von Walter und Klatt angesporchenen „Entbehrlichen“ müssen in den Fokus der Engagement-Strategien rücken: Sie stellen das eigentliche Potenzial dar – wenn sie denn in der Lage sind, sich entsprechend zu engagieren. Genau das ist die künftige Agenda von Kirche und Diakonie: sich um diese Menschen kümmern und sie befähigen, sich engagieren zu können, und sie inspirieren, sich einbringen zu wollen, gerade auch zu ihrem eigenen Nutzen. Dazu passt gut die folgende Aussage:

Und insofern fehlen gerade so die großen integrativen Klammern, die also auch diejenigen von unten mitnehmen. Weil dazu brauchen Sie eine bestimmte Weltanschauung. (15’45)

Das ist ja wohl nicht nur ein Wink mit dem Zaunpfahl, sondern gleich mit dem ganzen Zaun: das geht nicht ohne eine Weltanschauung! Sich Engagieren wollen und können braucht Bilder, warum das gut und wichtig ist. Das Christentum hat diese Bilder (andere natürlich auch), bitteschön!

In meinen Augen heißt das, dass Kirchengemeinden viel stärker Menschen in das kirchliche Engagement einbinden, die in kirchlicher Logik sonst nur die Adressaten dieses Engagements sind. Und es heißt auch: Prioritäten setzen bei der Jugendarbeit, bei der Jugendarbeit und bei der Jugendarbeit. Da lernt man, sich zu engagieren. Die Erfahrungen, die man dort nicht gemacht hat, kann man nicht nachholen. Und diejenigen, die sich jetzt oder in den nächsten fünfzehn Jahren engagieren, sind allesamt Leute, die aus (kirchlicher oder nicht-kirchlicher) Jugendarbeit kommen. Kann ich jetzt gerade nicht belegen, aber ich meine, dass das stimmt.

Und die Diakonie? Was kann sie in den fetten Jahren tun, um die Engagament-Ressourcen grundlegend zu stärken? Sie muss sich selbst engagieren, nämlich für eine gesunde Zivilgesellschaft. Und dazu gehören vor allem Debatten, Diskurse und politische Partizipation. Diakonische Einrichtungen müssen zu Diskussionsrunden einladen, niederschwellige Bildungsangebote anbieten, komunalpolitisches Agenda-Setting betreiben, im Wahlkampf Stellung beziehen, mit Bürgerinitiativen kooperieren oder selbst welche (mit-)gründen, und so weiter und so weiter… Oder anders formuliert: Sie dürfen über den Customer Value ihrer Dienstleistungen nicht den Public Value ihres Auftrags vergessen. Diakonie darf eben nicht einfach nur zivilgesellschaftliche Ressourcen nutzen, sondern muss selbst in sie investieren.

Das klang jetzt ja alles sehr nach dem „Wort zum Sonntag“. Ja, irgendwie schon.

Siehe auch meine Beiträge Das Gesellschaftsbetriebssystem und Nicht können, nicht wollen, nicht gefragt sein.

Diakonischer Gemeindemehrwert

Der Church Urban Fund, eine von der Anglikanischen Kirche gegründete Organisation zur Armutsbekämpfung in Großbritannien (siehe auch hier), hat ein Tool entwickelt, mit dem man den Wert einer Kirchengemeinde für das Gemeinwesen bemessen kann: das Church Community Value Toolkit. Es geht also um den Mehrwert (den Nutzen, die Ausstrahlung,…) für die „Community“ (das deutsche Wort Gemeinwesen wirkt neben dem englischen Community immer etwas dröge, finde ich).

Das Tool ist wirklich interessant und gut gemacht. Vier Dimensionen werden sehr detailliert abgefragt: Menschen, Aktivitäten, Geld, Gebäude. Das Ganze wird – klar strukturiert – miteinander verrechnet, so dass man darstellen kann, wie sich der Wert der Kirchengemeinde für die Community beläuft. Eine Excel-Tabelle wird auch gleich noch mitgeliefert. (Die Angelsachsen sind halt so pragmatisch… eine deutsche Organisation würde da erstmal lange debattieren, ob der Wert einer Kirchengemeinde überhaupt berechenbar ist. Who cares.)

Neben der Rechnerei gibt es noch einen zweiten Teil des Tools. Dort geht es darum, die Besonderheiten der Kirchengemeinde zu entdecken und zu bewerten. Dabei gilt auch hier: immer bezogen auf die Wirkung der gemeindlichen Arbeit. Den Besonderheiten der Gemeinde kann man auf die Spur kommen, wenn man sich fragt, welche Aufgaben die Kirchengemeinde in welchem Maße leistet. Im Abschnitt Identifying and valuing your distinctivness werden 22 potenzielle Aufgaben von Kirchengemeinden genannt. Diese Aufgaben soll man nun der Reihe nach durchgehen und sich dabei fragen, inwiefern die Kirchengemeinde diesen Aufgaben nachkommt. Dazu gibt es jeweils eine fünfstufige Skala, von „nicht sehr viel“ bis „sehr“. Dies allein ist schon gut. Aber bei jeder Aufagbe soll man zusätzlich noch die Frage beantworten:

  • „Welche lokale Organisation leistet dies Ihrer Meinung nach besser als Ihre Kirchengemeinde?“

Eine sehr pfiffige Frage. Erstens kann solch ein Vergleich die eigenen Einschätzungen realistischer machen, zweitens reflektiert man automatisch mit, wen es noch so alles im Stadtteil gibt.

Hier nun die Aufgaben:

  • Menschen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen aktivieren, sich kennen zu lernen
  • Menschen, die oft ausgeschlossen sind, willkommen heißen
  • Menschen helfen, Sinnvolles in den gesellschaftlichen Veränderungen zu entdecken
  • Menschen helfen zu entdecken, wie die Wohngegend verbessert werden kann
  • Menschen helfen, besser Kontrolle über ihr Leben zu bekommen
  • Trauende Menschen unterstützen
  • Menschen ermutigen oder befähigen, sich im Gemeinwesen ehrenamtlich zu engagieren
  • Menschen helfen, zuversichtlich im Beginn ihrer Ehe zu sein
  • Einen Raum/Platz anzubieten, in dem Menschen ihrer Spiritualität Ausdruck verleihen können
  • Menschen helfen, die Werte zu reflektieren, die ihr Leben stützen
  • Menschen helfen, eine Absicht in ihrem Leben zu entdecken („sense of purpose“??)
  • Menschen in persönlichen Krisen beistehen
  • Menschen helfen, einander zu vergeben
  • Menschen helfen, eine breitere Erfahrung des Lebens zu bekommen
  • Menschen helfen, einander so wahrzunehmen, wie sie sind
  • Unterstützung leisten in emotional aufgeladenen Situationen (wie nationale oder lokale Krisen)
  • Menschen aktivieren, ihr Leadership-Potenzial zu entdecken
  • Menschen helfen, spezifische Fähigkeiten auszubilden (wie z.B. öffentliches Reden)
  • Menschen helfen, Dinge zu bearbeiten, die sie herunterziehen
  • Kindern und Jugendlichen helfen, ihren eigenen Glauben zu erforschen und zu entwickeln
  • Kindern und Jugendlichen helfen, ein Gefühl von Verantwortung und Achtsamkeit gegenüber anderen zu entwickeln
  • Freigiebig, fröhlich und hoffnungsvoll sein, dass es eine Wirkung auf andere hat.

Man kann nun sicherlich noch viele andere Aufgaben formulieren (oder die vorgeschlagen neu arrangieren, zusammenfassen, differenzieren). Die fünfstufige Skala würde ich etwas anders übertragen, denn es sollte meiner Meinung nach auch die Möglichkeit geben, „gar nicht“ anzugeben (die niedrigste Stufe in dem Tool ist „nicht sehr viel“ – vielleicht ist das aber auch britisches Understatement und meint im Deutschen „gar nicht“). Also, ich schlage vor: „gar nicht“ – „kaum“ – „etwas“ – „ziemlich“ – „sehr“.

Sich einmal klar zu machen, was eine Kirchengemeinde an diakonischem Impact leistet, ist wirklich lohnenswert. Wenn darüber hinaus entdeckt wird, ob oder dass die Gemeinde ein faktisches Alleinstellungsmerkmal hat (bzw. wo eine Gemeinde etwas minderbemittelt ist), ist das ausgesprochen wertvoll.

By the way: Auf der Seite des Church Urban Funds gibt es noch eine Menge mehr an Nützlichem zu entdecken. Stöbern lohnt sich!

Nicht können, nicht wollen, nicht gefragt sein

Wie kann gesellschaftliche Teilhabe gelingen? In dem man sich einbringt, mitmacht, dabei ist, engagiert ist… Soviel ist klar. Interessant ist es, die Frage umzudrehen: Warum beteiligen sich Menschen nicht? Eine bekannte (nicht mehr ganz neue) amerikanische Studie zur Frage politischer Partizipation bringt die mögliche Antwort gut auf den Punkt:

„We focus on three factors to account for political activity. We suggested earlier that one helpful way to understand the three factors is to invert the usual question and ask instead why people do not become political activists. Three answers come to mind: because they can’t; because they don’t want to; or because nobody asked. In other words, people may be inactive because they lack resources, beacause the lack psychological engagement with politics, or because they are outside of the recruitment networks that brings people into politics. Our analysis of the sources of political participation will focus on all three factors – resources, engagement, and recruitment – which we combine into what we label the Civic Voluntarism Model“ (Verba/Schlozman/Brady: Voice and Equality 1995: 269).

Warum engagieren sich Menschen nicht? Weil sie’s nicht können, weil sie’s nicht wollen, weil sie niemand gefragt hat. Wenn dies stimmt (und empirisch spricht Einiges dafür), liegt hier der Schlüssel zur Teilhabeförderung:

  • Menschen befähigen, partizipieren zu können (siehe hierzu auch ein Essay des Politikwissenschaftlers Frank Walter auf SPIEGELonline),
  • in Menschen die Idee wecken, dass Partizipation eine Bedeutung hat (für sie selbst, für ihr eigenes Leben)
  • und Menschen (schlicht und einfach) bitten, fragen oder bedrängen, sich zu beteiligen.

Das sind verhältnismäßig unaufregende Möglichkeiten, aber ich denke, sie treffen es sehr genau. Diese Gedanken habe ich kürzlich in einem Vortrag zum Thema „Sozialkapital“ aufgegriffen.

Mittlerweile bin ich im Blog von Brigitte Reiser auf ein Modell gestoßen, das fünf Dimensionen aufweist, die stark an die drei genannten Aspekte erinnern, nun aber aus der Sicht von Organisationen gesehen, die Beteiligungsmöglichkeiten bieten (möchten): das CLEAR-Modell von Pratchett/Durose/Lowndes.

Partizipation kann gelingen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Can do: Man muss fähig sein, partizipieren zu können
  • Like to: Man muss ein eigenes Anliegen haben, warum man partizipieren will
  • Enable to: Organisationen müssen Beteiligungsmöglichkeiten bieten
  • Asked to: Man muss aktiv um Beteiligung gebeten werden
  • Responded to: Die Beteiligungsmöglichkeiten bietende Organisation muss auch auf die Beteiligung reagieren.

Gemeinde und Stadtteil wahrnehmen: drei Arbeitshilfen

Ich möchte auf drei Arbeitshilfen hinweisen, die für gemeinwesendiakonisch Engagierte recht nützlich sein können. Sie bieten etliches praktisches Material, besonders hervorheben möchte ich aber jeweils einen Fragebogen, mit dem man die Situation von Kirchengemeinden und ihren Stadtteilen strukturiert in den Blick nehmen kann.

Der Praxisimpuls „Diakonisches Handeln in Kirchengemeinde und Kirchenbezirk“ (2006) bezieht sich auf einen schon einige Jahre zurückliegenden Prozess der Württembergischen Landeskirche, um das Zusammenspiel von Gemeindediakonie und Einrichtungsdiakonie zu verbessern. Prozess und Projektstudie werden in dem Papier vorgestellt und bieten etliche gute Anregungen. Besonders hinweisen möchte ich auf den „Erhebungsbogen zur Bestandsaufnahme der diakonischen Gemeindearbeit“ (S. 38-56).

Die Arbeitshilfe „Wir alle sind berufen zur Caritas“ (2010) der Diözese Rottenburg-Stuttgart will für diakonisches Handeln in der Kirchengemeinde sensibilisieren, angefangen von einem „diakonischen Blick“ bis zur Einrichtung eines Caritas-Ausschusses in der Gemeinde. Hilfreich ist hier die „Wahrnehmungsmatrix“ (S. 34), bei der die Kategorien für den evangelischen Bereich etwas angepasst werden müssen.

Die dritte Arbeitshilfe leitet zur Wahrnehmung der Gemeinde und ihres Umfelds an: „Die eigene Gemeinde mit ihrem Umfeld wahrnehmen. Anregungen zur Lebensraumanalyse“ (2010), ebenfalls von der Diözese Rottenburg-Stuttgart herausgegeben. Es gibt konkrete Ausarbeitungen für einen Gemeinderundgang, zur Arbeit mit den Sinus-Milieus oder zur Nutzung des Demographieberichts der Bertelsmann Stiftung. Diakonische Fragen stehen nicht im Mittelpunkt, werden aber natürlich berührt. Hilfreich ist der Fragebogen zur Selbstwahrnehmung der eigenen Gemeinde (S. 32-35).

UPDATE 2011-12-30: …und als vierte sehr empfehlenswerte Arbeitshilfe sei natürlich noch auf das Church Community Value Toolkit hingewiesen, das ich hier im Blog auch erwähne (und zwar in seiner Gänze, nicht nur in dem von mir besprochenen Ausschnitt).

Hybrid-Reflexionen (Der Mythos vom Dritten Sektor, Teil 2)

Wenn man einfach behauptet, die Diakonie sei eine Drittsektor-Organisation, trägt dies nicht viel aus. Man behauptet es halt und je nach Standpunkt ist dies dann richtig oder falsch (wie im ersten Teil dieses Beitrags dargelegt, neige ich Letzterem zu). Ergiebiger ist die Sichtweise, dass diakonische Organisationen staatlich-marktlich-zivilgesellschaftliche Hybride sind, die zwischen diesen drei Handlungslogiken hin- und herschalten.

Ich stelle nun zwei kleine Reflexionsübungen vor, die sich bewährt haben. Die Grundthese ist: Jede diakonische Einrichtung ist eine Organisation, die aus einer Mischung von staatlichen, marktlichen und zivilgesellschaftlichen Handlungslogiken besteht. Die Anteile sind unterschiedlich ausgeprägt und können auch gleichzeitig wirksam sein. Es gibt kein Entweder/Oder, ebenso wenig gibt gegenseitigen Bedingungen oder Abhängigkeiten (eine stark marktwirtschaftliche geprägte Organisation muss nicht zwangsläufig schwach zivilgesellschaftlich orientiert sein).

Die erste Übung: S-M-Z-Regler. Das Charakteristische (und zugleich das Komplexe) einer diakonischen Einrichtung ist das jeweilige „Mischungsverhältnis“ dieser drei Logiken. Man kann sich dies sehr einfach mit dem Bild eines Mischpults oder eines Equalizers an einer HiFi-Anlage vorstellen. Es gibt drei Regler – S, M und Z – und die Stellung dieser Regler beschreibt – etwas salopp gesagt – wie diese Einrichtung in ihrem Inneren „tickt“.

Und dies ist auch schon die ganze Übung: Beschreibe anhand der drei Regler doch einmal eine Einrichtung, die du kennst – mische sozusagen die Einrichtung ab! Das Ganze aus dem Bauch heraus, es geht nicht um Korrektheit (die auch kaum möglich ist), sondern es geht darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ausgeprägt bzw. wirkmächtig die drei Handlungslogiken sind. Der Wert dieser Übung liegt darin, die Einschätzungen mit anderen auszutauschen, also zu schauen, wie andere die Regler eingestellt haben. In der Regel ergeben sich in der folgenden Diskussion aufschlussreiche Beobachtungen zur eigenen Wahrnehmung, über Selbstbilder, Geschichte, Rahmenbedingungen, Abhängigkeiten und Zusammenhänge der diakonischen Einrichtung.

Am Ergiebigsten ist es, dies auf einzelne Arbeitsbereiche oder kleine Organisationseinheiten anzuwenden. Bei größeren Organisationseinheiten wird es schon schwieriger, ist aber für einen ersten Impuls auch gut möglich. Ich habe diese Methode einmal in einem Vortrag angewendet (siehe Foto), um zu verdeutlichen, dass die verschiedenen Diakonie-Typen wirklich sehr unterschiedlich „ticken“ – und daher unbedingt bei der Frage nach der diakonischen Identität zu unterscheiden sind. Die Idee mit den Reglern geht auf Helmut Wiesenthal zurück (er nutzt das Bild des Mischpults, beschreibt aber andere Regler; ab S. 13).

Die zweite Übung: S-M-Z-Matrix. Diese Übung ist recht ähnlich, nutzt aber anstelle der Regler eine Matrix. Die vier Dimensionen Identität/Selbstbild, Ziele, Ressourcen und Steuerung werden nun auf die drei Handlungslogiken S, M und Z hin abgeklopft. Durch die Unterscheidung dieser Dimensionen kommt man der Komplexität einer diakonischen Organsiation näher als in der ersten Übung. Die vier Dimensionen habe ich von Adalbert Evers übernommen (Literatur siehe im ersten Teil). Hier eine kleine Skizze:

Der Mythos vom Dritten Sektor (Teil 1)

In der Diakonie gibt es einen gern gepflegten Mythos, zu finden in zahlreichen Imagetexten der Diakonie. Er lautet: Die Diakonie ist eine (zivilgesellschaftliche) Dritt-Sektor-Organisation. Ich halte von dieser Behauptung nicht viel, denn sie trägt nicht viel aus.

Es ist meiner Meinung nach fraglich, ob diakonische Einrichtungen tatsächlich so eindeutig zum Dritten Sektor zählen, wie immer wieder gesagt wird. Der Dritte Sektor ist das Sammelbecken für all die klassischen NGOs und NPOs, die nicht zu den Sektoren Staat und Markt zählen, die sich eben jenseits von Markt und Staat bewegen. Doch diese Sektoren sind längst nicht so klar und eindeutig abzugrenzen, wie es auf den ersten Blick erscheint. Und bei kaum einer Organisation wird dies so deutlich wie bei einer diakonischen Einrichtung.

Natürlich sind diakonische Organisationen nicht „der Staat“ und auch nicht „der Markt“, aber sie sind eben doch – durch und durch – staatlich und marktlich organisiert. Wenn diakonische Einrichtungen zu einem großen Teil aus Staatstransfers finanziert werden, bestimmte Gesetzesleistungen umsetzen und teilweise sogar einen Versorgungsauftrag haben, sind sie eben keine vom Staat unabhängigen Organisationen (genau dies ist aber Definitionsbestandteil des Dritten Sektors!). Und weiter: Diakonische Einrichtungen agieren auf dem Sozialmarkt, organisieren sich intern marktwirtschaftlich und treten in gegenseitigen Wettbewerb. Die Diakonie ist daher – in ihrer internen Handlunsglogik, in ihren Abhängigkeiten und sogar in ihrem Selbstverständnis – ein Stück Staat und ein Stück Markt. Sie davon ungeachtet als Organisationen jenseits von Markt und Staat dem Dritten Sektor zuzuordnen, ist schon ein gewagtes Unterfangen.

Es gibt einen Ansatz, der tragfähiger ist und vor allem ertragreichere Reflexionen zulässt. Dieser lässt eindeutige sektorale Zuordnungen hinter sich und geht von hybriden Organisationen aus, die verschiedenen Sphären gleichzeitig angehören. In den Sozialwissenschaften wird zunehmend vom Konzept des Hybrids gebraucht gemacht, Hybrid meint:

„Elemente, die ursprünglich mit einer je unterschiedlichen Sphäre assoziiert wurden, verbinden sich miteinander, und zwar innerhalb einer Organisationsform“ (Evers/Ewert 2010: 103).

Bekannt geworden ist der Begriff Hybrid vor allem im Zusammenhang mit Hybrid-Motoren, also bei Autos, die sowohl Verbrennungs- als auch Elektroantrieb besitzen und zwischen beiden, je nach Bedarf, umschalten können. Wenn man dieses Beispiel auf Organisationen im Sozialbereich überträgt bedeutet das: Es gibt Organisationen, die ein Hybrid aus marktlicher, staatlicher und zivilgesellschaftlicher Handlungslogik darstellen – der Sektor spielt in dieser Perspektive keine große Rolle mehr.

Adalbert Evers, Professor für Dritt-Sektor- und Zivilgesellschaftsforschung an der Universität Gießen, nutzt diese Sichtwiese, um die Eigenarten des sozialen Bereichs zu beschreiben. Evers bezieht sich dabei nicht ausdrücklich auf diakonische Einrichtungen, für sie gilt dies aber meines Erachtens ganz besonders. Diakonie-Organisationen sind dann keine Dritt-Sektor-Organisationen jenseits von Staat und Markt, sondern hybride Gebilde mit sowohl marktlicher, staatlicher und zivilgesellschaftlicher Handlungslogik.

Im zweiten Teil dieses Beitrags stelle ich zwei einfache Übungen vor, wie diese (neue?) Sichtweise für die Reflexion des diakonischen Selbstverständis genutzt werden kann. Denn leider beraubt sich die Diakonie der eigenen Reflexionsschärfe, wenn sie dem Mythos der Dritt-Sektor-Organisation zu sehr anhängt. Es ist allerdings ein gern gepflegter Mythos. Und so verstrickt sich die Diakonie auch immer mal wieder in einem Zwei-Fronten-Kampf: Auf der einen Seite kämpft sie gegen „den Staat“, auf der anderen Seite gegen „den Markt“. Die Diakonie hält wacker die Stellung dazwischen – mit all den anderen Guten, die weder Staat noch Markt sind – um so ihren Dienst an der Gesellschaft zu leisten. Armer Krieger Diakonie.

Doch es macht wenig Sinn, die Diakonie immer a priori dem Dritten Sektor zuzuordnen bzw. sie grundsätzlich als zivilgesellschaftlich ausgerichtete Organisation zu sehen – das ist sie auch, aber eben nicht nur. Die Diakonie ist nicht Greenpeace oder Amnesty, die Diakonie besteht aus lauter marktlich-staatlich-zivilgesellschaftlichen Einrichtungen.

Hier noch ein Literaturhinweis: Adalbert Evers/Benjamn Ewert: Hybride Organisationen im Bereich sozialer Dienste. Ein Konzept, sein Hintergrund und seine Implikationen, in: Thomas Klatezki (Hg.): Soziale personenbezogene Dienstleistungsorganisationen, Wiesbaden 2010, 103-128. Und wer lieber schnell Weiterlesen möchte, der sei auf einen einige Jahre älteren Artikel von Adalbert Evers verwiesen, in dem sich auch diese Überlegungen finden (auf englisch).

Fureai Kippu

Ein kompliziert klingendes Wort für eine einfache Sache: Fureai Kippu ist ein japanisches Unterstützungssystem auf Tauschbasis. Menschen, die andere Menschen pflegen oder betreuen, bekommen eine Gutschrift über den Umfang dieser Betreuungsleistung, die sie dann später wieder in eine Betreuungsleistung zurücktauschen können. Die Idee hierzu hatte Anfang der 1990er Jahre Tsutomu Hotta, ein ehemaliger Minister und Staatsanwalt, vor dem Hintergrund der immer älter werdenden japanischen Gesellschaft.

„Das bestechend Einfache daran: Eine Stunde ist eine Stunde ist eine Stunde – ein völlig inflationssicheres Geld also. Interessant ist, dass die Japaner sich mittlerweile lieber für einen der freiwilligen „Stundenkräfte“ als für professionelle Dienstleister entscheiden, weil Erstere eine größere Motivation mitbringen.“ (Margrit Kennedy in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung)

Die Idee des Fureai Kippu kann man unter drei verschiedenen Perspektiven diskutieren: Als Beispiel für eine Komplementärwährung, als Beispiel für die Monetarisierung im Ehrenamt und als Beispiel für einen innovativen Ansatz bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen:

  • Die Idee von Komplementärwährungen übt immer wieder eine Faszination aus. Im Unterschied zu den zahlreichen Regionalwährungen ist der Fureai Kippu hingegen eine Sektoralwährung.
  • Im Zusammenhang mit der steigenden Bedeutung von bürgerschaftlichem/ freiwilligem/ehrenamtlichem Engagement wird zunehmend – und äußerst kontrovers – diskutiert, ob solch ein Engagement finanziell vergolten werden sollte. Das Zentrum für Zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze) hat eine Studie zu den Monetarisierungstendenzen vorgelegt, in der fünf Monetarisierungsformen unterschieden werden, eben auch Zeitkonten (hier gibt es auf S. 7 eine hilfreiche Überblicksgrafik).
  • In den Debatten zur Zukunfts- und Leistungsfähigkeit des Sozialstaats wird immer wieder nach hoffnugsvollen „sozialen Innovationen“ gesucht. Gemeint sind weniger neue Geschäftsfelder als viel mehr innovative Ansätze, das Soziale neu zu denken. Hoffnungen werden auf die Zivilgesellschaft gesetzt – mal sind sie überzogen, mal ideologisch überfrachtet. Aber grundsätzlich liegt hier ein großes Potenzial.

Hier nun die Details zum Fureai Kippu-System, die im Netz verfügbar sind (und nicht auf japanisch):

  • Die Fureai Kippu-Gutschriften werden angespart und können zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingelöst werden. Die Gutschriften können aber auch verschenkt bzw. auf andere übertragen werden. Dies ist vor allem interessant, wenn Menschen entfernt lebenden Angehörigen diese Leistungen zugute kommen lassen wollen.
  • Träger dieses Systems sind mittlerweile knapp 400 NPOs, die sich dem System anschließen, es steht also keine Zentralorganisation im Mittelpunkt. Wohl aber gibt es zwei Rechnungstellen, die wie Banken funktionieren.
  • Währungseinheit ist eine Stunde Service. „There are different rates applied to different services (e.g. one hour of shopping or reading is credited with one Fureai Kippu, but help in body care is valued at two Fureai Kippu for each hour of service)“ (Lietaer/Hallsmith: Community Currency Guide, S. 3). Anscheinend können Gutschriften aber auch  zu einem bestimmten Kurs käuflich erworben werden.
  • Beim Fureai Kippu scheint es weniger darum zu gehen, staatliche oder professionelle Systeme zu ersetzen, sondern die Menschen stärker zu motivieren, einander zu helfen. Dafür spricht auch schon der Begriff selbst: „Fureai“ bedeutet wohl in etwa „gegenseitiger Kontakt“, Kontakt im Sinne von „Berührung“. („Kippu“ heißt übrigens Gutschrift.)
  • In der englischsprachigen Wikipedia finde ich noch die Information interessant, dass das Fureai Kippu-System auch in China eingeführt wird/werden soll (allerdings mit dem Hinweis, dass diese Aussage nicht belegt ist). Aus dem polnischen Wikipedia-Eintrag geht leider nicht hervor, ob es ein spezielles Interesse in Polen am Fureai Kippu gibt (Danke, Katrin).

Auf die Idee des Fureai Kippu-Systems hat mich Stefan Wiesbrock aufmerksam gemacht durch einen Beitrag im Forum der Fachhochschule der Diakonie (FHdD). Entdeckt hat er sie in einer 3sat-Reportage. Die Informationen habe ich neben den drei Wikipedia-Einträgern (deutsch, englisch, polnisch) von diesen drei Quellen: hier, hier (recht weit unten) und und hier (S. 3).

Welches Interesse könnte die Diakonie an solchen Modellen haben? Wenn sich die Diakonie als Vorantreiber sozialer Innovationen versteht (und nicht nur als Anbieter sozialer Dienstleistungen), sind hier spannende Gedankenexperimente möglich. Wie wäre es, wenn diakonische Träger eine Verrechnungseinheit schaffen, mit der bundesweit Dienstleistungen und Engagement erbracht und eingelöst werden können, von der Kita bis zum Altenheim? Der Aspekt der Komplementärwährung wäre hier bloß ein Nebeneffekt. Im Mittelpunkt stünde die Förderung einer Kultur der Gegenseitigkeit. Die Auswertung des Erfahrungswissen mit dem Fureai Kippu und ähnlichen Systemen kann daher Gold wert sein.

Abschließend nun die 3sat-Reportage (zum Fureai Kippu nur ganz kurz von 1’19“30 – 1’20“30). Hier geht es allerdings ausschließlich um die erste der drei genannten Diskussionsperspektiven, um die der Komplemantärwährungen.

Die sieben Diakonien

Das Wort Diakonie gibt es natürlich nicht im Plural. Aber mit dieser nicht ganz korrekten Überschrift möchte ich auf die Vielfalt der unterschiedlichen Diakonie-Formen hinweisen. Diakonie ist eben nicht gleich Diakonie. Beispielsweise sind die Gemeinsamkeiten zwischen einer diakonisch orientierten Gemeinde und einem diakonischen Unternehmen recht gering. Beides ist aber Diakonie. Natürlich kann man einen gemeinsamen Nenner formulieren, die Frage ist nur, wie hilfreich dies für Diakoniewissenschaft wie -praxis ist. Die Gefahr liegt darin, dass entweder diesem gemeinsamen Nenner Gewalt angetan wird (um ihn überhaupt formulieren zu können) oder dass die Besonderheiten und Eigenarten der unterschiedlichen Diakonie-Typen vernachlässigt werden (zu Gunsten eines allgemeingültigen Diakonieverständnisses).

Bei der Frage nach dem diakonischen Selbstverständnis hat sich die folgende kleine Diakonie-Typologie als sehr hilfreich erwiesen, mit der ich in letzter Zeit oft gearbeitet habe. Sie ist rein beschreibender Natur, folgt also keinem normativen Ansatz, und ist leicht verständlich. Diese Typologie beschreibt die Organisationsformen, nicht die Aufgaben von Diakonie. All das, was als Diakonie bezeichnet wird, kann man einem der folgenden Akteurstypen zurechnen. Sicherlich kann man dies auch noch feiner unterteilen.

Diakonische Einrichtungen. Dies ist der Diakonietyp, der die öffentliche Wahrnehmung von Diakonie am stärksten prägt. Viele reichen geschichtlich bis in die Gründerzeit der Inneren Mission zurück. Einige entwickelten sich zu „diakonischen Anstalten“, die heute meist als Komplexeinrichtungen bezeichnet werden (es gibt meines Wissens mittlerweile keine diakonische Einrichtung mehr, die in ihrem Namen noch die Bezeichnung „Anstalt“ trägt). Neben den großen Komplexeinrichtungen gibt es eine Vielzahl von diakonischen (Einzel-)Einrichtungen, in der Regel sind sie als e.V., Stiftung oder GmbH organisiert.

Diakonische Gemeinden. Im Gegensatz zum Begriff „Gemeindediakonie“ (der eher normativ ist) wähle ich an dieser Stelle die Bezeichnung „diakonische Gemeinde“. Das diakonische Grundprogramm von Kirchengemeinden ist zwar sehr gering: Fürbitte („diakonisches Gebet“), Kollekte und (Pfarrer-)Diakoniekasse. Aber es gibt eine wachsende Anzahl diakonisch orientierter Gemeinden, die in ihrer ambitionierten Arbeit von den anderen Diakonieformen manchmal unterschätzt werden.

Regionale Diakonische Werke (DWs). Sie bilden die flächendeckende diakonische Grundstruktur. Kernbestandteil sind meist Beratungsstellen. Wesentlich für diesen Diakonie-Typ ist der kommunalpolitische Bezug und die Brückenfunktion zwischen den „organisiert diakonischen“ und „verfasst kirchlichen“ Systmen. Die regionalen Diakonischen Werke unterscheiden sich von Landeskirche zu Landeskirche zum Teil deutlich.

Diakonische Social Business-Organisationen. Zugegeben, der Begriff ist nicht schön, aber ich kenne derzeit keinen besseren. Hierbei handelt es sich um Einzelorganisationen, die von der Initiative von social entrepreneurs leben, also von Menschen mit „Macher-Qualitäten“, die ein soziales Problem mit unternehmerischen Mitteln angehen wollen. Es sind durch und durch unternehmerische Projekte, aber weniger im Sinne von „durchökonomisiert“, sondern im Sinne der eigentlichen Wortbedeutung: etwas unternehmen. Social Business-Organisationen  entwickeln sich oft in zwei Richtungen: Es werden neue Standorte eröffnet und sie vergrößern ihren politischen Einfluss. Sie bleiben dabei ihrem Schwerpunkt treu, etwickeln sich also nicht zu neuen Komplexeinrichtungen. Im freikirchlichen Bereich sind Social Business-Organisationen wesentlich verbreiteter, im „Mainline-Protestantismus“ in Deutschland ist man hier sehr zurückhaltend mit dieser Diakonieform. Meines Erachtens wird dieser Diakonie-Typ aber stark zunehmen, insofern wird sich irgendwann auch die Begriffsfrage klären. Und noch eine letzte Bemerkung: Die in der Gründerzeit der Inneren Mission entstandenen Anstalten und Werke haben aus heutiger Sicht als Social Business-Organisationen begonnen.

Diakonische Fachverbände. Auch Verbände zur politischen Einflussnahme und fachlichen Weiterentwicklung können als  eigenständige Diakonieform gelten. Das Besondere an dieser Diakonie-Form ist, dass sie selbst nicht Träger von konkreten diakonischen Dienstleistungen und Angeboten sind. Aber da die strukturelle Bekämpfung von Not und die Gestaltung von Strukturen durch politische Einflussnahme eine urdiakonische Aufgabe ist, ist das, was diese Verbände machen, selbst auch Diakonie.

Kommunitäre Basisgemeinschaften sind eine nicht zu vergessene Diakonieform. Hier sind es Einzelpersonen oder Familien, die nach alternativen Lebensentwürfen und Sozialformen suchen und sich gemeinschaftlich zusammenschließen. Auch viele Evangelische Kommunitäten haben ein starkes diakonisches Engagement.

Und schließlich stellen die Werke der diakonischen Entwicklungsarbeit eine eigenständige Diakonieform dar, wie Diakonie Katastrophenhilfe, Brot für die Welt, Hoffnung für Osteuropa oder Evangelischer Entwicklungsdienst.

Es gibt vielfache Überschneidungen. In manchen diakonisch engagierten Kirchengemeinden sind Beratungsstellen entstanden, die mittlerweile an die Ausmaße eines kleinen Diakonischen Werkes heranreichen. Einige Diakonische Werke entwickeln sich zu diakonischen Unternehmen und übernehmen auch deren Handlungslogik. Aus kommunitär geprägten Basisgemeinschaften entwickeln sich zum Teil Social Business-Organisationen. Und so weiter, und so weiter…

Die Unterscheidung dieser Typen und die Wertschätzung ihrer Unterschiede helfen falsche Erwartungen zu klären und Missverständnisse auszuräumen. Fragt man nach den Möglichkeiten und Grenzen dieser sieben Typen, sollten vor allem die unterschiedlichen Rollen, Motive und Handlungslogiken reflektiert werden. Anhand dieser Unterschiede werden dann auch die Schwierigkeiten zwischen den einzelnen Diakonieformen, die es zuweilen gibt, deutlich und verständlich. Das bedeutet aber auch, dass jede dieser Diakonieform ein eigenes Selbstverständnis hat. Denn es gibt eben nicht das diakonische Selbstverständnis, sondern ausschließlich kontextbezogene Diakonieverständnisse. Und diese können durchaus in Konkurrenz zu anderen Selbstverständnissen stehen.

UPDATE 2012-01-07: Ich habe in letzter Zeit an mehreren Stellen wieder mit dieser Typologie gearbeitet und merke immer mehr, dass tatsächlich eine Form fehlt – wie im Kommentar (s.u.) ja bereits angedeutet: Initiativen und Projektgruppen. Oft entstehen sie in Gemeinden (oder deren Umfeld), sind aber nicht mit diesen gleichzusetzen. Sie sind flüchtiger als die anderen Formen, aber ihre Stärke liegt darin, dass sie oft schneller und flexibler sind und vor allem monothematisch ausgerichtet sind (was sich ja auch gegenseitig bedingt). Umso länger ich darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, wie ich sie eigentlich vergessen konnte! Vielleicht lag es an der Siebenerzahl…

Gemeinsam für den Stadtteil

Ich bin von Udo Schmälzle auf eine Studie aus NRW aufmerksam gemacht worden, die für die Gemeinwesendiakonie eine Menge brauchbares Erfahrungswissen bereithält: „Gemeinsam für den Stadtteil – Kooperationen von Freier Wohlfahrtspflege und Kommunen zur Stabilisierung benachteiligter Quartiere“ (2004). Die Studie bietet gutes und reichhaltiges Material, auf das die Akteure in der Gemeinwesendiakonie unbedingt einen Blick werfen sollten. Ich habe sie ins Dossier Gemeinwesendiakonie mit aufgenommen.

In der Studie geht es um „Stadtteilprävention“, das meint „einen sozialräumlichen Arbeitsansatz mit dem Ziel, sozialen Entmischungstendenzen in Stadtteilen und der Entstehung benachteiligter Quartiere entgegenzuwirken“ (S. 183). Mehrere Ansätze werden in der Studie näher beschrieben (S. 145-150; 155-156; 190-192):

  • Erhalt und Ausbau von preisgünstigen Wohnungen im Stadtgebiet
  • Verhinderung von Anreizen für den Wegzug einkommensstärkerer und statushöherer Haushalte
  • Verhinderung der konzentrierten Zuweisung von benachteiligten Haushalten
  • Abbau räumlicher Disparitäten zwischen einzelnen Stadtteilen
  • Verbesserung der ökonomischen bzw. materiellen Situation der Bewohner/innen
  • Verbesserung der sozialen Lage der Quartiersbevölkerung
  • Förderung der Partizipation und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
  • Verbesserung der Wohnraumversorgung und Wohnungsnotfallprävention
  • Sensibilisierung von Akteuren aus der sozialen Arbeit und Stadtteilbewohner
  • Aktivierung der relevanten Akteure im Stadtteil

Das alles ist nicht deckungsgleich mit der Gemeinwesendiakonie, aber es gibt viele Schnittmengen und Berührungspunkte.

Auch solche Kleinigkeiten wie die Arbeitsblätter (Kapitel 9.7) gefallen mir, z.B. ein Bogen zur Erfassung der vier verschiedenen Haupttätigkeiten: Einzelfallhilfe, Vernetzung auf Bewohnerebene im Stadtteil, Vernetzung auf institutioneller Ebene im Stadtteil und interne Strukturarbeit. Schlicht und einfach, aber gut (S. 197).

Abschließend noch ein Hinweis aus der Studie, der für Kirche und Diakonie interessant sein dürfte: „Zumindest die kirchlichen Wohlfahrtsverbände haben mit ihren ortsansässigen Gemeinden ein theoretisches Potenzial für ein dauerhaftes Engagement; das Engagement der Gemeinden könnte als dauerhafte ‚selbsttragende Strukturen‘ begriffen werden“ (S. 144). Dies entspricht ja genau meinem Hinweis zur Präsenz im Stadtteil (kritisch dazu siehe S. 186!).

Lokale Ökonomie

„Local work for local people using local resources“ (James Robertson).

So kann man das Schlagwort „lokale Ökonomie“ wohl am prägnantesten zusammenfassen. Lokale Ökonomie ist ein Samelbegriff für unterschiedliche Ansätze wie Soziale Ökonomie, Nachbarschaftsökonomie, solidarische Ökonomie oder Gemeinwesenökonomie. Lokale Ökonomie will die lokalen Wirtschaftskreisläufe stärken, neue Arbeitsmöglichkeiten im Gemeinwesen schaffen und die Versorgung mit den Dingen des täglichen Bedarfs im Stadtviertel verbessern. Das Ganze soll gelingen, indem die Potenziale innerhalb des Gemeinwesens mobilisiert werden – also Vorrang der endogenen vor den exogenen Ressourcen. Genutzt werden insbesondere die „brachliegenden Fähigkeiten und Kenntnisse in der Bevölkerung – nicht zuletzt unter den Arbeitslosen oder aus sonstigen Gründen für überflüssig Erklärten“ (Karl Birkhölzer).

„Der Begriff Lokale Ökonomie ist die Übersetzung des englischen „local economy“ und meint zunächst die Gesamtheit ökonomischen Handelns innerhalb eines geographisch begrenzten Gebiets oder einer Gebietskörperschaft, wie z.B. Städte, Stadtbezirke, Gemeinden. „Lokal“ (lat. locus = Ort) betont in diesem Zusammenhang die Handlung vor Ort, wobei der Ort als Wirtschaftseinheit, als Reproduktionsmöglichkeit und als Ort der Existenzsicherung gesehen wird. Das Gemeinwesen, also ein überschaubarer Raum mit historisch gewachsener Struktur und kultureller Identität , wird nicht als beliebiger Standort gesehen. Das Gemeinwesen ist die „Keimzelle“ einer alternativen Wirtschaftsform im Sinne der Lokalen Ökonomie“ (Judith Knabe).

Eine allgemeine Definition gibt es bisher nicht. Die Diskussion begann in den 1980er Jahren in Großbritannien „und zwar im Zusammenhang der Entwicklung eigenständiger wirtschaftspolitischer Strategien auf kommunaler Ebene („local economic strategies“), getragen von den Stadträten („Metropolitan Councils“) englischer Großstädte (Greater London, Manchester, Merseyside, South and West Yorkshire, West Midlands) als Reaktion auf die zunehmende Arbeitslosigkeit, Verarmung und den Verfall der Innenstädte im Gefolge einer extrem neoliberalen bzw. marktradikalen Wirtschaftspolitik der Thatcher-Ära“ (Karl Birkhölzer). In Deutschland setzte die Diskussion erst später ein, gewinnt aber zunehmend an Fahrt. „Lokale Ökonomie“ erfährt nicht nur in den Ansätzen zur „Sozialen Stadt“ Beachtung, sondern auch grundsätzlich in der Sozialen Arbeit.

Die Redaktion der Internetseite stadtteilarbeit.de hat ihr Material rund um das Thema „lokale Ökonomie“ nun unter einer eigenen Domain zusammengestellt: lokale-oekonomie.de. Die Seite ist absolut empfehlenswert, die Artikel und Materialen sind interessant, instruktiv und inspirierend. Lokale Ökonomie kann der Gemeinwesendiakonie und dem Community Organizing noch einmal neue und kräftige Impulse geben. Besonders spannend finde ich die Verbindung von bürgerschaftlichem und unternehmerischem Handeln. Nun kann man sagen: „Alles nichts Neues, kennen wir doch schon“. Ja, viele Einzelaspekte sind sicherlich nicht neu. Aber manchmal bietet ein Begriff eine neue Blickrichtung. Und mit dieser „lokalen Ökonomie“ lassen sich viele Entdeckungen machen. Allein die Dursicht der verschiedenen Traditionsströme lokaler Ökonomien ist bereits äußerst anregend. Da geht noch was.

Wir sind da

Der ADAC wirbt um neue Mitglieder mit dem einfachen Satz: „Wir sind da“. Schön (und) schlicht.  Das könnte doch auch ein Diakonie-Motto sein (vielleicht sogar ein Mantra?). Es ist nicht aufdringlich und gleichzeitig genau auf den Punkt. Es stellt nicht das Tätigsein in den Vordergrund, sondern das Da-sein.

Im Seminaren zur diakonischen Bildung mache ich gerne Übungen zum Verständnis der eigenen Fachlichkeit. Auf einer Liste mit hundert verschiedenen Umschreibungen für helfendes Handeln findet sich auch das „da sein“. Eine Teilnehmerin dieser Übung hatte „da sein“ als besonders wichtig für ihr eigenes Verständnis von Professionalität ausgewählt und anschließend gesagt: „Das ist ganz schön anstrengend, einfach da zu sein.“ Das ist es. Und meiner Meinung nach ist es auch eine besondere Qualität diakonischer Kompetenz. Also: Präsenz als Kompetenz. Dies führt dann zu der Frage, inwiefern „da sein“ Bestandteil sozialberuflicher Professionalität ist, ob es darüber hinaus geht oder dahinter zurückbleibt. Im Wichern drei-Band von Volker Herrmann und mir entfaltet Andries Baart einige grundlegenden Gedanken zur Präsenz. Ich finde präsenzorientierte Diakonieverständnisse sehr anregend. Die Passgenauedienstleistungsdiakonie ist eine andere Art von Diakonie.

Es gibt aber noch ein weiteres Verständnis von Präsenz, nämlich das der (evtl. flächendeckenden) Versorgungsstruktur. Also: Präsenz als Struktur. Auch diesen Aspekt finde ich bedenkenswert: Wer ist in Deutschland eigentlich flächendeckend „da“? Ich interessiere mich erst einmal für die sichtbaren und ortsgebundenen Strukturen (also die physischen, nicht die virtuellen): Wer ist vor Ort, am besten in allen Stadtteilen, tatsächlich präsent? Paul-Hermann Zellfelder hat den alten Sparkassen-Slogan „Keiner hat mehr: die meisten Filialen“ auf die Kirchengemeinden übertragen. Bleibt zu fragen, welche flächendeckenden Filialstrukturen es noch so gibt in Deutschland. Ich komme auf die folgenden „Wir-sind-da“-Strukturen:

  • Bäckereigeschäfte (45.000; baeckerhandwerk.de)
  • Büdchen, Trinkhallen und Wasserhäuschen (leider finde ich hierzu keine Zahlen, es werden aber wohl weniger als Bäckereien sein)
  • Sparkassen-Filialen (15.685; dsgv.de; allerdings werden hier auch SB-Geschäftsstellen mitgerechnet)
  • Kirchengemeinden (15.471; ekd.de/statistik)
  • Tankstellen (14.410; mwv.de)
  • Postfilialen (14.000; dp-dhl.com)
  • Kindergärten (keine Zahlen gefunden)
  • Grundschulen (keine Zahlen gefunden)

Diese „Versorgungssysteme“ haben einen  flächendeckenden Charakter. Und im Grunde sind sie alle, in ihrer Art und Weise, wichtig für diakonische Arbeit im Sozialraum. Wir sind dann mal da.

Wichern drei

Soeben erschienen: Wichern drei – gemeinwesendiakonische Impulse, herausgegeben von Volker Herrmann und mir, verlegt bei Neukirchener.

„Wichern drei“ – dieses Schlagwort von Theodor Strohm markiert eine neue Phase diakonischen Selbstverständnisses. Es spielt dabei auf einen Ausspruch von Eugen Gerstenmaier an: Mit „Wichern zwei“ bezeichnete Gerstenmaier das diakonische Programm des Evangelischen Hilfswerks in der Nachkriegszeit. Neben dem Wichernschen Gedanken der „rettenden Liebe“ (quasi „Wichern eins“) sollte mit „Wichern zwei“ die „gestaltende Liebe“ stärker in den Blick gerückt werden. 50 Jahre später skizziert Theodor Strohm die Idee von „Wichern drei“, ein Diakonieverständnis, das den Sozialraum in den Mittelpunkt der Reflexion rückt. Auch Wolfgang Huber hat den Begriff „Wichern III“ genutzt (mit einer etwas anderen Ausrichtung – und mit der „drei“ als römischer Ziffer).

Es geht dabei um die stärkere Berücksichtigung der lebensweltlichen Kontexte, den Einbezug von informellen Netzwerken, von Selbsthilfe und bürgerschaftlichem Engagement und die Suche nach neuen Kooperationspartnern, die auch über die Grenzen der kirchlichen und diakonischen Institutionen hinausreichen.

Solch ein diakonisches Grundverständnis stellt nun keine völlig neue Erfindung dar. Allerdings muss man zugestehen, dass die von Theodor Strohm Ende der 1990er Jahre beschriebene Kultur organisierter Diakonie sich de fato erst allmählich durchsetzt. Und so haben Volker Herrmann und ich zehn Jahre nach Theodor Strohms Aufsatz „Wichern drei – auf dem Weg zu einer neuen Kultur des Sozialen“ (1998) in der diakoniewissenschaftlichen Literatur nach Ansätzen und Gedanken gesucht, die unserer Meinung nach genau die Essentials der Wichern drei-Idee beschreiben.

Hinzu kommt ein Weiteres: Wichern drei entspricht inhaltlich in weiten Teilen der Idee der Gemeinwesendiakonie. Der Diakonie-Text Handlungsoption Gemeinwesendiakonie bezieht sich dann auch explizit hierauf (S. 26). Mit dem Buch „Wichern drei – gemeinwesendiakonische Impulse“ möchten wir nun diese beiden Linien in Beziehung setzen. Wichern drei verstehen wir dabei als diakoniewissenschaftliche Programmatik, die Gemeinwesendiakonie als diakoniepolitische Strategie. Wer sich gerne einen Überblick über die verschiedenen Artikel verschaffen möchte, kann hier das Inhaltsverzeichnis einsehen.