Archiv der Kategorie: Spiritualität

Diakonisches Liedgut (2)

Seit dem ich vor zwei Jahren hier einmal der Frage nachgegangen in, ob es so etwas wie ein „diakonisches Liedgut“ gibt, suche ich weiter danach. Mir geht es dabei um Lieder, die einer diakonische Spiritualität Ausdruck verleihen. Und ehrlich gesagt: Meine Ausbeute ist eher gering.

Das liegt daran, dass ich an dieser Stelle sehr streng bin. Es gibt zwar eine Menge Lieder, die Diakonisches berühren. Aber etliche ergehen sich dann leider in Betroffenheitslyrik. Und es gibt viele Lieder, die mir einfach zu sehr gotthatalleliebunddiesonnescheintauchbaldwiederfürdich sind.

Singen kann eine sehr tiefe Wirkung haben. Denn das, was man singt – zumindest wenn man es oft singt – sickert in einen ein. Daher mache ich es mir schwer und suche nach den Perlen. Und hier sind nun drei weitere Lieder mit dem Prädikat „diakonisch wertvoll“: ein Bekanntes, eine Umdichtung, ein Neues.

Selig seid ihr

„Selig seid ihr“ ist ein alter Piet Janssens-Klassiker. Der Text ist von Friedrich Karl Barth und Peter Horst.

1. Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt.
Selig seid ihr, wenn ihr Lasten tragt.

Es ist ein diakonisches Programm: einfaches Leben, Lasten teilen, lieben, gütig sein, Leid wahrnehmen, bei der Wahrheit bleiben, Frieden machen und Unrecht spüren. Angelehnt ist der Text an die  Seligpreisungen (Matthäus 5). Es findet sich im katholischen Gotteslob und in vielen Regionalteilen evangelischer Gesangbücher.

Ein bisschen stört mich das wiederkehrende „wenn“, denn es kann temporal oder konditional verstanden werden. Letzters fände ich theologisch nicht ganz passend. Man kann es umschiffen, indem man statt dem „wenn“ immer ein „die“ singt.

Von Gott will ich nicht lassen

Marita Lersner hat im Zusammenhang mit Christian Herwartz‘ Straßenexerzitien vier neue Strophen auf die Melodie von „Von Gott will ich nicht lassen“ gedichtet. Wenn ich es richtig sehe, wird zunächst die erste Strophe des Originals gesungen, dann schließen sich die neuen Strophen an. Hier ihre zweite Strophe:

2. Auf Gott will ich vertrauen,
weil er so menschlich ist.
Er will auf Menschen bauen,
die man sonst oft vergisst.
Für ihn sind Schiefe schön,
die Ausgegrenzten wichtig,
Und die Verwirrten richtig,
die Lahmen werden gehn.

Die Neudichtung beschreibt wie das Original unsere Gottergebenheit, allerdings nüchterner und (in meinen Augen) auch angemessener. Mir gefällt der Text sehr gut, die Kombination der ersten Strophe („führt mich durch alle Straßen“) mit den vier neuen finde ich gelungen.

Suchet das Beste, das Beste der Stadt

Bei Liedern, die bewusst als Diakonie-Songs geschrieben werden, bin ich ja immer recht skeptisch. Mir ist da bisher einfach noch nichts Gutes begegnet. Es gibt aber eine Ausnahme: „Suchet das Beste, das Beste der Stadt“. Das Lied war für mich eine Überraschungsentdeckung:

Suchet das Beste, das Beste der Stadt.
Aufmerksam fragt, was sie jetzt nötig hat.
Jeder Mensch zählt, denn Gott sieht jeden an.
Betet, das sein Geist die Stadt prägen kann.
Betet für Frieden. Gerechtigkeit liebt.
Lebt aus dem Geist, den uns Christus gibt.

Die einzelnen Strophen sind dann quasi die Vertonung des Leitbilds der Berliner Stadtmission. Natürlich gefällt mir, dass es eine Art „Gemeinwesendiakonie-Song“ ist. Bemerkenswert ist die Haltung gegenüber der Stadt: Einerseits fragen, was sie nötig hat, andererseits für sie beten. Konkrete Hilfen werden dann in den Strophen aufgezählt, aber der Refrain macht klar: die christlichen Grundtätigkeiten sind fragen und beten.

Musik und Text stammen von Gerold Vorländer, lange Jahre Kölner Pfarrer und jetzt in der Leitung der Berliner Stadtmission. Auf seinem Blog findet sich ein ein Ausschnitt aus der Notation. Ansonsten gibt es das Lied leider weder textlich noch akkustisch im Netz, einzige Möglichkeit ist der Kauf einer CD für wenig Geld – die aber anscheinend vergriffen ist.

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Drei weitere Lieder, die ich allen ans Herz lege, die nach diakonischer Spiritualität in geistlichen Liedern suchen: Selig seid ihr; Von Gott will ich nicht lassen (in der Neudichtung von Marita Lersner); Suchet das Beste, das Beste der Stadt.

Diakonie-Verständnisse entbanalisieren

Mir fällt hin und wieder auf, dass die Bilder, Begriffe und Ideen, was Diakonie ist, oft recht oberflächlich sind. Diakonisches Handeln? Es geht irgendwie ums Helfen, christlich halt. Und erschreckend oft geht das in die Richtung von „nett, nah, menschlich“. Und ich frage mich dann: Wie will man eigentlich diakonisches Profil implementieren, diakonische Indikatoren bestimmen oder diakonisches Handeln ausbilden, wenn es nur ein sehr diffuses Verständnis davon gibt, was Diakonie ist, was sie ausmacht, worin sie besteht?

Dahinter liegt ein tieferes Problem: Es fehlt eine Art „Praxistheorie der Diakonie“, es gibt wenig konzeptionell ausgearbeitete Diakonie-Ansätze, auf die man diesbezüglich zurückgreifen kann. In der Systematischen Theologie wird Diakonie gerne vernachlässigt – oder sie wird schlicht auf Ethik reduziert. Und die Diakoniewissenschaft ist stark biblisch-exegetisch und kirchengeschichtlich geprägt oder – sozusagen auf der anderen Seite vom Pferde fallend – betriebswirtschaftlich-managerial orientiert.

Natürlich gibt es gute Ansätze, interessante Theorien und spannende Debatten in der und über die Diakonie. Aber selten reichen sie über die Spähre, in der sie entstanden sind, hinaus. Diakoniewissenschaftliche Debatten bleiben meist in der akademischen Filterblase, Diakoniemanagementansätze haben ihren eigenen Entstehungs- und Reflexionsort und in den einzelnen Handlungsfeldern geben fachliche Konzepte aus den verschiedensten Referenzdisziplinen den Takt vor. Und was ist die  gemeinsame diakonische Klammer? Wie gesagt: Irgendwas mit Helfen. Nett, nah, menschlich. Prima.

Wie kann man sich über Diakonie inhaltlich verständigen, ohne in Plattheiten oder Floskeln stecken zu bleiben? Wie kann man zum Kern der Diakonie vordringen, und das auf möglichst einfachem Wege?

Ich habe gute Erfahrungen mit zwei Fragen gemacht. Sie können dazu beitragen, die leitenden Diakonie-Verständnisse zu klären, meist sogar deutlich zu vertiefen und ab und an (kleine) Brücken zwischen den angesprochenen Sphären zu schlagen.

Die Frage nach der Absicht der Diakonie

Ein guter und für mich bewährter Ansatzpunkt ist das Nachdenken über die Absicht der Diakonie. Was will Diakonie? Was soll diakonisches Handeln? Die gängigen Antworten wie Helfen oder Unterstützen sind zu allgemein. Außerdem beschreiben sie ja den Weg und nicht das Ziel. Konkreter wird es, wenn man fragt: Wozu soll die Unterstützung denn dienen? Woraufhin geschieht Diakonie? Etwas anders formuliert könnte man fragen: Was für eine Art Arbeit ist diakonisches Handeln? Geht es um Armutsbekämpfungsarbeit? Um Beheimatungsarbeit? Soll es eher um Heilungsarbeit oder um Leidlinderungsarbeit gehen? Meine persönlichen Favoriten sind Teilhabeermöglichungsarbeit und Berufungsentdeckungsarbeit.

Erst wenn man es so zuspitzt, zeigen sich die möglichen Absichten. Und erst wenn man eine Absicht hat, kann man das entsprechende Profil dazu entwickeln. Der zentrale Begriff der beabsichtigten Absicht ist zugleich der (systematisch-)theologische Zentralbegriff, den es dann für den Diakoniealltag zu entfalten gilt.

Die Frage nach der Absicht lenkt zudem den Blick von der Motivation zur Voluntion. Diese Unterscheidung finde ich auch didaktisch sehr hilfreich. Bei beidem geht es darum, was einen treibt: Bei der Motivation steht das Warum im Vordergrund (und ist daher rückwärtsgewandt), bei der Voluntion das Woraufhin (und zielt in die Zukunft). Letzteres ist meines Erachtens deutlich gehaltvoller.

Die Frage nach dem Wirken (in) der Diakonie

Eine weitere Idee, wie man sich der Frage nach dem Kern der Diakonie nähern kann, ist das Nachdenken über die Wirkung in der Diakonie, genauer gesagt: dem Wirken. Dieser Ansatz ist abstrakter als der erste, die Frage mag anfangs etwas irritieren. Ich kann aber versichern, dass es sich lohnt, ihr nachzugehen.

Wirkung darf hier nicht einfach als Ergebnis verstanden werden (etwa als „impact“ oder „outcome“), oder als Effekt (samt Rezepten, wie die Wirkung zu erzielen sei), sondern als ein Prozess des Wirkens. Ich schlage einmal fünf Begriffe für solche Wirkungen vor: Heilung, Versöhnung, Befreiung, Ermächtigung und Wandlung. Sie sind nicht trennscharf, aber von ihrer Dynamik her doch unterschiedlich genug. Diesen (oder ähnlichen) Wirkdynamiken gilt es nachzugehen.

Können diese Begriffe vielleicht beschreiben, was geschieht, wenn Diakonie geschieht? Und wenn ja: Was passiert da eigentlich genau, was (und wie) vollzieht sich da? Wer oder was ist denn da überhaupt am Wirken? Interessant auch: Wir können diese Dynamiken – also Kräfte, Energien – nicht machen, aber können wir denn zumnidest mit ihnen umgehen? Welches Wissen und, ja, welche „Praxistheorie“ halten 2000 Jahre Christentum hier bereit?

Wenn man sich solchen Fragen stellt, ist man auf einer guten Spur. Weil man weit weg ist vom gängigen Diakonie- und Sozialpolitik-Sprech. Vielleicht stellt sich auch ein Unbehagen ein, sich ernsthaft dieser Frage auszusetzen. Ist das nicht zu groß, zu pathetisch, zu aufgeladen?  Ich glaube ja mittlerweile, dass von „Diakonie“ eher zu klein als zu groß gedacht wird. Und genau das könnte vielleicht ganz hilfreich sein: Diakonie nicht zu banalisieren, sondern tiefer zu denken.

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Diakonie läuft immer wieder Gefahr, zu banal gedacht zu werden. Doch dann bleibt Diakonie hinter dem zurück, was sie ist. Die Fragen nach der Absicht und der Wirkung der Diakonie können helfen, dass Diakonie-Verständnis (für das eigene Handeln, die Profilentwicklung oder in der diakonischen Bildung) zu vertiefen.

Fußwaschung

Die Fußwaschung, wie sie im 13. Kapitel des Johannes-Evangeliums beschrieben wird, wird ja auch gerne als „diakonisches Sakrament“ oder „Sakrament der Diakonie“ bezeichnet. Ich finde, das ist nicht so ganz richtig, weil die Fußwaschung damit diakonisch vereinnahmt wird. Das Diakonische an der Fußwaschung ist ein wichtiger Aspekt, keine Frage, aber darin geht dieses „Sakrament“ eben nicht auf.

Viel interessanter finde ich die Frage, ob dieser Ritus nicht tatsächlich als ein Sakrament gelten könnte. Genau dazu habe ich etwas auf meinem Blog MARTHORI geschrieben. Nicht auf diakonisch.de, auch aus dem Grund, um die Fußwaschung nicht diakonischer zu machen als sie ist. Ich habe ja Lust, sie erstmal  sakramentaler zu macher. Da aber vielleicht trotzdem einige diakonisch.de-Leser Interesse an dieser Idee haben, verlinke ich meinen Beitrag: Hier geht’s lang!

Die Inklusions-Denkschrift der EKD

Ende Januar ist die Orientierungshilfe der EKD zur Inklusion [PDF] erschienen. In Anlehnung an eine viel beachtete Rede von Richard von Weizsäcker aus dem Jahr 1993 trägt sie den Titel: Es ist normal, verschieden zu sein.

Mir gefällt die Denkschrift. Kurz auf den Punkt gebracht: Sie ist unaufgeregt gut. Sie hat keinen moralinen oder pathetischen Duktus, sondern sie ist fachlich solide, theologisch nüchtern (und nicht katechetisierend) und liest sich auch noch recht flüssig.

Und – auch das ist erwähnenswert – sie ist ehrlich gegenüber der eigenen kirchlichen Paxis:

„Die gegenwärtige Sozialgestalt der Kirche in Gemeinde und Diakonie ist jedoch noch weit davon entfernt, ein Inklusionsmotor zu sein. In ihr dominieren soziale Milieus, die meist weder Arme noch Menschen mit Behinderungen umfassen und sich durch die Art der – auch religiösen – Kommunikation vielfach abgrenzen“ (S. 55).

Ausgangspunkt der Denkschrift – wie auch des gesellschaftlichen Diskurses – ist die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Daher hat sie einen deutlichen Schwerpunkt bei der Ermöglichung von Inklusion für behinderte Menschen. In der Denkschrift wird aber auch thematisiert, dass Inklusion darüber hinausgehen muss:

„Dabei ist die Aufgabe der Inklusion von Menschen mit Behinderungen nur eine der Herausforderungen auf dem Weg zu einer diakonischen Kirche – sie unterscheidet sich nicht kategorial von der Herausforderung, von Armut bedrohte Familien, pflegende Angehörige oder Menschen mit Migrationshintergrund als »normale Gemeindeglieder« zu begreifen. Insofern geht es auch nicht in erster Linie darum, weitere Stellen oder Beauftragte zu schaffen oder zusätzliche Programme aufzulegen […]“ (S. 157).

Völlig richtig.

Allerdings würde ich an dieser Stelle gar nicht so sehr die Idee einer „diakonischen Kirche“ betonen. Denn dann könnte Inklusion schnell wieder als diakonisches Dings missverstanden werden. Und das ist es gerade nicht!

Ich spitze es einmal für die Kirchengemeinden zu: Immer, wenn es um „Inklusion“ geht, sollten die Synapsen sofort eine Verbindung zu Gemeindeentwicklung herstellen. Denn wenn man bei dem Thema als erstes (oder auch noch als zweites oder drittes) an Gemeindediakonie denkt, kann das mit der Inklusion nichts werden, dann läuft sie in die falsche Richtung. (Dabei kann natürlich durchaus etwas Gutes herauskommen, aber es hat dann eben wenig mit Inklusion zu tun).

Eine Erklärung liefert die Denkschrift im Grunde selbst:

In der Kirche sammeln sich zwar viele Menschen, die sich für andere einsetzen. Allerdings gelingt es ihnen oft nicht, eine tragfähige Brücke zu Menschen mit Einschränkungen zu schlagen. Paradoxerweise kann gerade diese Haltung eines Engagements »für andere« Kommunikation auf Augenhöhe verhindern. Geschwisterlichkeit gelingt, wo aus dem Engagement »für andere« eine »Kirche mit anderen« wird“ (S. 56).

Gemeinden müssen – um es einmal etwas belehrend zu formulieren – grundsätzlich so inklusiv wie möglich sein, egal, ob sie sich als hochkirchlich oder sozialengagiert verstehen, bildungs- oder kleinbürgerlich orientiert sind, missionarisch oder „diakonisch“ ticken.

Deshalb würde ich das Mantra, dass man von einer Kirche „mit anderen“ zu einer Kirche „für andere“ kommen muss, auch nicht überstrapazieren. Denn bei beiden Formulierungen gibt es eben (immer noch) „die anderen“.

Interessant fand ich eine Idee, von der ich bislang noch nie etwas gehört habe: Dunkelgottesdienste (S. 162-163): Ein Gottesdienst wird in einer völlig abgedunkelten Kirche gefeiert. Ich kann mir vorstellen, dass dies eine kraftvolle spirituelle Erfahrung sein kann – jedenfalls dann, wenn tatsächlich das spirtuelle Erleben im Vordergrund steht und es nicht eine pädagogische Aktion ist, ein versteckter Appell, sich mit „Behinderung“ auseinenderzusetzen.

Denn dann kann Inklusion nicht nur ein Programm zur Barrierefreiheit werden, sondern ein Innovationsmotor der Gemeindepraxis sein. Und damit hat sich die Energierichtung umgekehrt: Kirche macht nicht etwas, um Inklusion zu ermöglichen, sondern die Inklusion trägt dazu bei, Kirche zu ermöglichen.

Okay, das war jetzt doch etwas pathetisch.

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Solide, unaufgeregt und lesenswert: die EKD-Orientierungshilfe zur Inklusion.

Geschichten erzählen

In der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal – eine der vier Bethel-Stiftungen – entstand der Fortbildungskurs „Glaube verstehen – diakonisch handeln“. Dieses diakonische Bildungsangebot wurde strukturell in dem Diakonieunternehmen verankert, so dass insgesamt 1.200 (in Worten: eintausendzweihundert!) Mitarbeitende und Leitende daran teilgenommen haben. Das Konzept wurde nun veröffentlicht und steht zum kostenlosen Download bereit.

Im Mittelpunkt steht das Geschichten-Erzählen. In einer festen Gruppe trifft man sich acht mal, bei jedem Treffen werden „Glaubensgeschichten“ und „Arbeits-Alltags-Geschichten“ erzählt. Beides wird aufeinander bezogen („verknüpft“).

Die Kurse boten und bieten ein Forum zum Geschichtenerzählen an. Geschichten als ein Mittel, biblisch/theologische Werteorientierung und Alltagserfahrung der Arbeit zu kommunizieren und zu verknüpfen. Experten aus der Arbeit (Mitarbeitende) trafen sich mit Experten der biblischen Überlieferung (Theologen). Sie verbanden ihre Geschichten, gewannen neue Einsichten und Impulse und entwickelten weiterführende Perspektiven. Die Anregung für dieses Vorgehen stammt aus den Basisgemeinden in Lateinamerika. Aufgrund des Priestermangels dort entstand seinerzeit eine Laienbewegung, die die Bibel unmittelbar aus dem von Armut und Ausgrenzung gekennzeichneten Lebensalltag heraus gelesen und verstanden hat. Sie verknüpften beides, ihren Lebensalltag und biblische Geschichten, fühlten sich gestärkt und ermutigt, gewannen so Impulse für sich selbst und im gesellschaftlichen Umfeld (S. 6).

Das Konzept ist so unspektakulär wie es gut ist: Narrative Theologie meets Korrelationsdidaktik. Es wird also genau das vermieden, woran solche Bildungsangebote immer wieder kranken: Diakonie „vermitteln“ zu wollen. Wer aufmerksam liest, kann entdecken, wie angemessen und bedacht das Konzept entwickelt wurde.

Die Auswahl der acht biblischen Geschichten wird kurz erklärt, sie orientierte sich an zwei Kriterien:

Die Geschichten sind so ausgewählt worden , dass darin Aspekte enthalten sind, die auch in einer weitgehend von kirchlichen Bezügen entfremdeten Gesellschaft mindestens als Begriff eine Rolle spielen (10 Gebote, Nächstenliebe, kirchliche Feste: Weihnachten, Ostern usw.) Oder sie können als gelebte oder gewünschte/ersehnte Erfahrung im Arbeitsalltag der Teilnehmenden auftauchen: Heilung, Integration von Außenseitern, Nächstenliebe, Hilfe und Begleitung in der Begegnung mit Tod bzw. Sterben (S. 11).

Das „Verknüpfen“ der Glaubens- mit den Alltagsgeschichten geschieht mit Hilfe von sieben vorgegebenen Kategorien: Ängste, Hoffnungen, Wünsche, Enttäuschungen, Begegnungen, Erfolge, Erfahrungen. Allerdings erfährt man wenig darüber, wie dieses Verknüpfens konkret geschieht (ja, ja, das alte Problem der Korrelationsdidaktik). Mich würde interessieren, welche Rolle die genannten Kategorien genau spielen und inwiefern sie sich bewährt haben.

Das Besondere an dem Kurs ist in meinen Augen zum einen der Mut, didaktisch alles auf eine Karte zu setzen: auf das Erzählen von Geschichten, den biblischen wie den eigenen. Und zum anderen ist es die organisatorische Konsequenz, mit der es im Unternehmen umgesetzt wurde.

Jörg Passoth: ,Glauben verstehen – diakonisch handeln‘. Christliche Tradition im Arbeitsalltag der Diakonie. Ein Qualifizierungskurs der
Hoffnungstaler Stiftung Lobetal, Ev. Bildungsstätte für Diakonie und Gemeinde, Bielefeld 2014.

Fastenzeit

AD2014Heute am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. Fasten scheint im Trend zu liegen – begrüßenswert, finde ich.

So gibt es eine regelrechte Rennaissance des Fastens, gerade auch im evangelischen Bereich. Die Aktion „7 Wochen ohne“ begann Mitte der 1980er Jahre in Hamburg als private, aber von der evangelischen Kirche unterstützte Bewegung, die rasch populär wurde und seit nunmehr 20 Jahren vom Gemeinschaftswerk evangelischer Publizistik der EKD betreut wird. Aus dem Kreise der Hamburger Initiatoren entstand zudem der Verein „Andere Zeiten e.V.“, der später eine eigene Fastenaktion ins Leben rief: „7 Wochen anders leben“.

Die Idee ist einfach: auf scheinbar unentbehrliche Substanzen (Fleisch, Alkohol, Kaffee, Süßes…) oder eingeschliffene Gewohnheiten wird bewusst verzichtet. Die Faszination des Fastens liegt in zwei besonderen Wirkungen: Der Verzicht führt nicht ausschließlich zu einem Mangelerleben (was ja auf der Hand liegt), sondern paradoxer Weise auch zur Erfahrung von Fülle. Und der zunächst äußere Prozess des Weglassens beeinflusst innere Prozesse. Verzicht kann zur Fülle führen und Äußeres wirkt auf Inneres das sind die beiden spirituellen Dynamiken des Fastens. Das macht das Fasten aus.

Deshalb finde ich so manche Fastenaktion auch etwas sonderbar. Allen voran die EKD-Aktion „Sieben Wochen ohne“, bei der ich von Jahr zu Jahr das Gefühl habe, dass man sich immer etwas besonders Schlaues ausdenken möchte. Dieses Jahr: „Selber denken! Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten“. Merkwürdig finde ich es deshalb, weil es die beiden Fasten-Dynamiken genau auf den Kopf stellt: Es wird nicht etwas weggelassen oder reduziert, sondern etwas mehr (bzw. bewusster) gemacht. Zudem wird bei einem inneren Prozess angesetzt (dem Bewusstsein), nicht bei einem äußeren (dem Verhalten). Kann man machen. Aber mit Fasten hat das wenig zu tun. Wirklich pfiffig und ganz im Sinne des Fastens wäre es genau andersrum gewesen: Mal sieben Wochen nicht selbst denken! Kann man als evangelische Kirche natürlich nicht machen, schon klar. Völlig schräg wird es aber dann, wenn auf evangelisch.de alberne Banalitäten à la „Adam und Eva aßen einen Apfel!“ als „falsche Gewissheiten“ entlarvt werden. Ein Wissens-Häppchen ist etwas anders als Gewissheit.

7wochen_ohne_gwDa lob ich mir den Mut der Fastenaktion des evangelischen Zentrums für Predigtkultur: Pfarrer und Pfarrerinnen sollten in der Fatsenzeit in ihren Predigten auf eine Auswahl gängiger theologischer Begriffe verzichten – sieben Wochen ohne große Worte. Eine gute Idee gegen grassierende Logorrhoe (Wortdurchfall), auch wenn es Kritik an der Umsetzung gibt. Meine Meinung habe ich im Blog von Phillip Greifenstein kundgetan, lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Beitrag von Karsten Dittmann.

Mittlerweile gibt es die unterschiedlichsten Ideen und Aktionen . Eine besonders ambitionierte Verzichtsaktion ist das Auskommen mit dem Hartz-IV-Regelsatz (siehe auch hier). Eine andere Idee ist das Autofasten. Oder das Energiefasten (unter dem lustigen Titel: „Klimafasten“). Interessante Idee ist auch das Klamotten- bzw. Modefasten. Und natürlich ist das digitale Fasten nicht zu vegessen.

Zu den klassischen Motiven – Fasten als religiöse Praxis oder als gesundheitliche Maßnahme (Heilfasten) – gesellt sich also ein neues Motiv hinzu: Fasten als konsumkritisch-alternativer Lebensstil (Einfaches Leben).

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Fasten berührt die paradoxen Zusammenhänge von Mangel/Fülle und Inneres/Äußeres. Und neben religiösen oder gesundheitlichen Gründen ist auch ein „einfaches Leben auf Probe“ ein wesentliches Motiv. Gute Sache.

UPDATE 2014-03-05: Ich füge jetzt noch ein paar Blogartikel hinzu, die ich sehr zum Lesen empfehle:

UPDATE 2014-03-05, zum Zweiten: Jetzt habe ich gar nichts zu meinem Fasten gesagt. Ich faste Schokolade und Milchprodukte. Durch Zufall habe ich auf WDR2 ein Interview mit Atilla Hildmann gehört, dem Shootingstar der veganen Küche (den ich bisher gar nicht kannte, was auch daran liegt, dass ich vegane Küche bisher noch nicht kannte. Jedenfalls nicht wirklich). Ich fand seine engagierte aber gleichzeitig unverkrampfte Art so erfrischend, dass ich prompt sein Kochbuch zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Auf Fleisch und Milchprodukte gleichzeitig verzichten kann ich nicht, also probiere ich eine Variante davon aus. Man könnte auch sagen, ich mache 7 Wochen vegan mit Fleisch.

Ich bin übrigens öfter an meinen Fastenvorhaben gescheitert, als dass sie „hundertprozentig“ geklappt hätte. Trotzdem mach ich weiter.

Ich finde es auch gut, die Passionszeit besonders zu gestalten. Aber das hat für mich wie gesagt nichts mit Fasten zu tun, sondern mit der Fastenzeit als Zeitabschnitt. Ich habe mir dieses Jahr wieder Anselm Grüns „Das Kreuz“ vorgenommen (das ist ein älteres Buch von Grün aus der Reihe Münsterschwarzacher Kleinschriften. Soll heißen: Da kommen weder Engel noch Wellnesstüdelü vor). Ich habe das Buch vorher in 40 Abschnitte eingeteilt, ein paar Abschnitte bleiben außen vor, so dass es jeden Tag ca. eine dreiviertel Seite Lesepensum ist. Das geht auch gut im RE5.

Und mit diesen ergänzenden Infos nehme ich jetzt auch noch an Andrea Juchems Blogparade „Fastenzeit AD 2014“ teil.

UPDATE 2014-03-05, zum Dritten: Beim Schreiben des Blogartikels hatte ich gewisse Bauchschmerzen. Und zwar wegen des thematischen Hintergrunds dieses Blogs: Ich blogge ja hier grundsätzlich über diakonische Aspekte. Aber die werden in diesem Beitrag gar nicht reflektiert. Aus einem ganz einfachen Grund: Ich habe einfach kein Packende bekommen.

Bewusst auf etwas Verzichten kann man nur, wenn man grundsätzlich genug von dem hat, worauf man verzichten will. Ansonsten ist das kein Verzicht, sondern Mangel. Oder Not. Ich überlege, ob all die hier erwähnten Fasten-Ideen (und mein persönliches Fasten) nicht ein reines bürgerliches Mittelschichtsphänomen sind. Das macht sie weder schlechter noch besser, aber das sollte man dann zumindest nicht unerwähnt lassen.

Für mich ist dies hier eine wichtige Frage (die ich momentan wirklich nicht beantworten kann): Inwiefern korrelieren (negativ und positiv) religiöse Ideen/Formate/Übungswege mit Marginalisierungserfahrungen. Ja, natürlich korreliert das, klar. Aber wie genau? Und: was wäre demnach sinnvoll: eine kompensatorische oder eine verstärkende Strategie? Wenn das noch zu kryptisch klingt: Ich kann’s grade nicht anders formulieren. Später vielleicht mal mehr.

Diakonie als Übungsweg?

Der christliche Glaube ist in erster Linie eine Transformationspraxis. Und Praxis braucht Übung. Auch wenn Martin Luther betont hat, dass das Leben „nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung“ sei, ist der Protestantismus wohl auch nicht ganz unschuldig daran, dass christlichen Übungswegen oft wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Das ändert sich in den letzten Jahren (Gott sei Dank!) wieder, gerade auch im evangelischen Bereich.

28WegeDie beiden Leiter der spirituellen Zentren St. Martin (München) und Eckstein (Nürnberg) in der Bayerischen Landeskirche, Andreas Ebert und Oliver Behrendt, haben ein schönes Büchlein herausgegeben, in dem sie einen Überblick christlicher Übungswege bieten: Christsein üben. 28 Wege spiritueller Praxis. Die Auswahl ist breit, jeder Übungsweg wird auf maximal fünf Seiten kurz skizziert. Man kann blättern und stöbern und entdeckt vielleicht etwas, das man vertiefen möchte. Das Inhaltsverzeichnis kann auch über die Nationalbibliothek eingesehen werden (PDF).

Fasten, Pilgern oder Herzensgebet sind fraglos Übungswege. Trifft das auf die Diakonie ebenso zu? Ja und Nein, ist mein Fazit. Diese Ambivalenz zeigt sich auch schon in dem Titel des Artikels, den der Diakonie-Präsident Bayerns, Michael Bammessel, beigesteuert hat: „Die spirituelle Dimension diakonischen Engagements“.

Michael Bammessel beginnt seine Ausführungen mit der Erzählung von Christopherus: Christopherus ist groß und stark und will einem mächtigen Herren dienen. Er trifft auf einen Einsiedler, der ihm rät, Gott zu dienen. Dazu wären zwei Übungswege erforderlich: Fasten und Gebet. Beides passt nicht so recht zu Christopherus und da schlägt der Einsiedler ihm vor, stattdessen doch Reisende durch eine große Furt zu tragen. Christopherus bekommt also quasi eine diakonische Aufgabe, die er annimmt. Einige Jahre später kommt es dann zu der legendären Christusbegegnung, als er auf einmal in einem Kind, das er auf dem Rücken über den Fluss trägt, Christus erkennt.

„Diese lebenswahre Geschichte hat einen seelsorgerlichen Zug: Nicht jeder spirituelle Übungsweg muss für jeden Menschen geeignet sein. Die überraschende Botschaft: Auch die ganz praktisch ausgeübte Nächstenliebe kann zu einer unvermutet intensiven Gotteserfahrung führen, und zwar gerade dann, wenn die Hilfe ohne weitergehende Absichten gegeben wurde und die religiöse Dimension gar nicht im Blick war“ (S. 44).

Gottes- und Nächstenliebe, spirituelle Übung und tätiges Engagement, sind miteinander verflochten. Darauf möchte Michael Bammessel hinaus, und da kann man natürlich nur zustimmen. Ich möchte an dieser Stelle zwei Arten der Beziehung unterscheiden:

  • Die Wechselwirkung von spiritueller Übung und diakonischem Engagement: Das Eine führt zum Anderen (nicht ganz, etwas besser gesagt: das Eine kann zum Anderen führen, muss es aber nicht zwingend).
  • Die Balance von spiritueller Übung und diakonischem Engagement: Das Eine braucht das Andere (jedenfalls dann, wenn das Eine in hoher Intensität ausgeführt wird).

Wenn man dies so sieht, dann wird man diakonisches Engagement nur schwer als spirituellen Übungsweg verstehen können. Denn dann ist „Diakonie“ die (Neben-)Bedingung oder die (Neben-)Wirkung eines anderen Übungsweges wie Gebet, Kontemplation, Meditation.

Man kann aber auch aus aus der Erkenntnis, dass sich in diakonischem Engagement eine Christusbegegnung einstellen kann (kann!), eine Übung machen. Selbst wenn ich diese Erfahrung nicht mache, kann ich so tun, als ob mir Christus gegenübersteht:

„In jedem Menschen, dem wir Beistand leisten, ist in geheimnisvoller Weise Christus selbst gegenwärtig. Er ist durch seine Passion, also seinen eigenen Leidensweg, eins geworden mit den Leidenden aller Zeiten. Dieses Wissen gibt jedem diakonischen Engagement eine spirituelle Tiefendimension. Wer es lernt, im anderen Menschen Christus selbst zu sehen, der handelt anders“ (S. 45).

Das wäre dann der diakonische Übungsweg. Absichtslos eine Aufgabe ausführen – ohne eine religiöse Aufladung, ohne die Erwartung, dass etwas „Spirituelles“ dabei passiert – aber in der Haltung, dass der Mensch mir gegenüber Christus ist.

Das Lesen dieses Artikels hatte für mich noch einen weiteren Nebeneffekt, nämlich die Figur des Christopherus stärker in mein diakonisches Blickfeld zu rücken. Ich muss zugeben, dass mir Christopherus als eine diakonische Leitfigur bisher gar nicht so im Sinn war. Leider. Denn es ist eine gute und vor allem sehr passende Geschichte: Auf der Suche sein, was man Sinnvolles tun kann (welchem Herren man dienen will). Eine konkrete Aufgabe ausführen und damit von Nutzen sein. Keine weiteren Absichten damit verbinden. Punkt. Und das Christliche daran? Nun, ob Christopherus religiös war oder nicht, spielt keine tragende Rolle und sein Fährmanndienst zu Fuß kann wohl kaum als religiöse Tat dargestellt werden. Eines Tages begegnet ihm im Anderen Christus, aber völlig unerwartet. All das trifft den Kern diakonischen Engagement (bzw. die Lebenswirklichkeit von Diakonie-Mitarbeitenden) doch wesentlich besser als das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Oder?

P.S.: Während ich dies tippe, sitze ich im Zug nach München, um an dem Symposium zum Herzensgebet (PDF) teilzunehmen, das von den beiden Herausgebern dieses lohnenden Büchleins veranstaltet wird.

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Diakonisches Engagement und spirituelle Übung sind eng miteinander verbunden. Diakonische Praxis und geistliche Übung brauchen einander. Man kann aus den Erfahrungen diakonischen Engagements auch eine christliche Übung ableiten: Christus im Anderen sehen (wollen).

Andreas Ebert/Oliver Behrendt (Hg.): Christsein üben. 28 Wege spiritueller Praxis, München 2012. 14,80 Euro. Darin: Michael Bammessel: Die spirituelle Dimension diakonischen Engagements, S. 44-48.

sich dienen lassen

Vor Kurzem fuhr ich mit dem Zug zurück nach Hause, stieg am Benrather Bahnhof aus und wollte schnell zu meinem Fahrrad. Auf einem erhöhten Absatz seitlich der Bahnhofstreppe saß ein Obdachloser, der seine Dienste als Schuputzer anbot. So stand es auf dem Pappschild, das er neben seinen fein säuberlich geordneten Utensilien aufgestellt hatte (sechs verschiedene Schuhcremes mit jeweils einem Lappen und einem Pinsel). Kein Kunde.

Schuhputzer kenne ich in Deutschland eigentlich nur aus Erich-Kästner-Büchern, sie gehören für mich also zum 20er- und 30er-Jahre-Inventar. Arme Menschen, die um ihr täglich Brot bangen müssen. Schuheputzen teilt die Welt klar in „oben“ und „unten“ ein, man sieht es ja an dem knienden Schuputzer sehr deutlich.

Warum lasse ich mir nicht die Schuhe putzen? Die Antwort ist einfach : Mir ist das irgendwie zu doof. Hat das Schuheputzenlasssen nicht etwas total Herablassendes? Gerade weil „oben“ und „unten“ so offensichtlich wird? Müsste ich mich nicht viel eher dafür einsetzen, dass in Deutschland kein Obdachloser Schuheputzen muss? Und was denken bloß die vorübergehenden Passanten?

Weil beides zwar gegen das Schuheputzen spricht, mich aber nicht wirklich überzeugt hat, drehe ich um und lasse mir die Schuhe putzen.

Ich sitze tatsächlich „oben“ auf dem Schemel, der mir fast wie ein Thron vorkommt – und muss damit nun klarkommen. Der Schuhputzer hockt vor mir gebückt, rutscht auf den Knien hin und her und erledigt seine Dienstleistung. Er macht seine Arbeit professionell, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er das gerne tut. Mein Job dabei ist: sich bedienen lassen. Oder mit  spiritueller Konotation: sich dienen lassen.

Darum ging es also, das war das Unbehagen. Sich dienen lassen ist unbaheglich. Vor allem dann, wenn der nächste Regionalexpress gerade angekommen ist und knapp hundert Menschen an mir vorbei ziehen, alle ganz nah und alle, die gucken, gucken mich an, nicht den Schuhputzer. Der macht ja schließlich nur seinen Job. Aber wer ist denn der, der sich da seine Schuhe putzen lässt?

Das Gespräch mit dem Schuhputzer war interessant, die Schuhe so gut geputzt wie nie, der Schuhputzer hat etwas verdient ohne zu betteln – und ich musste noch lange über dieses merkwürdige Phänomen des sich dienen lassens nachdenken. Warum ist das so ein merkwürdiges Gefühl?

Ich könnte das Ganze jetzt spirituell überhöhen (ja, die eine oder andere Bibelstelle ist mir dazu tatsächlich in den Sinn gekommen), aber das lasse ich an dieser Stelle lieber. Da kann jeder seine eigene Erfahrungen machen. Aber eine Sache ist mir noch aufgefallen: Es gibt doch beim „diakonischen Lernen“ im Konfiunterricht oder in Einführungskursen für Freiwilligendienste oft diese „Erfahrungsübung“, sich in einen Rollstuhl zu setzen und durch die Stadt zu rollen um dann später die gemachten Erfahrungen im Ton tiefer Betroffenheit gemeinsam zu reflektieren. So gut gemeint die Idee dahinter ist, ich mag dieses Spielchen absolut nicht. Ich schlage eine andere Art von Perspektivwechsel vor: Liebe Leute, die ihr helfen wollt, lasst euch erstmal die Schuhe putzen.

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Sich dienen lassen ist eine eher ungewohnte Erfahrung. Man kann sie durchaus beim Schuheputzenlassen machen.

Vorstellungskraft

Felix von Leitner („fefe“) hat in der FAZ vom 13.09.2013 seine „Stark-Trek-Theorie“ vorgestellt. Und die geht so: Warum gibt es aufklappbare Handys, USB-Speichersticks, Tablets, Computer mit Spracheingabe oder Google Glass? Ganz einfach: Weil das alles Dinge sind, die ein paar Jahrzehnte zuvor bereits in der Welt von Star Trek gezeigt wurden.

„Das alles liegt daran, dass „Star Trek“ fast zehn Jahre lang im Fernsehen lief. Diese Zeit war die Kindheit der Menschen, die heute im Silicon Valley und anderswo Dinge erfinden. Um Dinge zu erfinden, muss man sie sich vorstellen können. Daher fällt Science-Fiction in unserer Gesellschaft ein besonders hoher Stellenwert zu. Science-Fiction schafft Bilder, schafft Vorstellungen. Die Ingenieure bauen sie dann.“

Nur was man sich vorstellen kann, kann man umsetzen. Was nicht im Bereich der eigenen Vorstellungskraft liegt, ist nicht machbar. Dieser einfache Gedanke ist ein wichtiger Schlüssel für die Gestaltung von Welt und des eigenen Lebens. Im Grunde ist es eine spirituelle Weisheit. Und das Nutzbarmachen dieser Weisheit ist gerade auch für diakonisches Arbeiten von großer Bedeutung.

Ein einfaches Beispiel: Wenn Menschen für ehrenamtliches Engagement gewonnen werden sollen, müssen diese eine Vorstellung davon haben, was das ist (das wissen viele Menschen tatsächlich nicht, jedenfalls nicht im Konkreten!) und dass dies irgendwie positiv oder sinnvoll ist. Ohne dies gibt es kein Engagement, da können die Rahmenbedingungen noch so gut sein. Das klingt zu banal? Das mag sein. Aber ich frage mich immer wieder, wer eigentlich dieses furchtbare Wort „Freiwilligenmanagement“ erfunden hat. Denn Freiwillige lassen sich nicht „managen“ – aber von Bildern leiten. Statt „Freiwilligenmanagement“ bräuchte es also viel eher so etwas wie „Bildbearbeitung“.

Ähnlich ist es beim Empowerment. Empowerment funktioniert nicht über irgendwelche Tools und Techniken (auch wenn es unzählige davon gibt) und schon gar nicht übers „Motivieren“. Empowerment bedeutet im Kern: Ich (der „Empowerer“) habe ein Bild von dir (dem „Empowerten“), das größer ist als das, das du selbst von dir hast. Und ich versuche, dass dieses Bild in dich einsickert und unterstütze dich dann dabei, dass du es Gestalt werden lassen kannst. Für Letzteres sind manche der Tools und Techniken dann auch ganz hilfreich. Entscheidend ist aber das erste: das Vorhandensein eines großen (und trotzdem angemessenen) Bildes. Wer das als Sozialarbeiter nicht hat (es ist in jedem Einzelfall anders, klar), der verliert sich in wirkungslosen Techniken und belegt irgendwann eine Fortbildung zu heilsversprechenden Motivationstricks. Schade – oder wohl eher tragisch.

Ich belasse es einmal bei diesen beiden Beispielen, der Grundgedanke ist sicherlich klar geworden. Zurück zu der Ausgangsthese von Felix von Leitners Star-Trek-Theorie. Das eine ist ja die Vorstellungsfähigkeit an und für sich, das andere, dass ausgerechnet Star Trek so wirkmächtig gewesen ist (zumindest was Compuertechnik und Ingenieurskunst angeht – und auch der unbedachte Umgang mit Daten! Darum geht es von Leitner eigentlich in seinem FAZ-Artikel. Aber das ist nochmal ein ganz anderes Fass).

„Als einziges Science-Fiction-Programm zeigte „Star Trek“ eine Zukunft, die zwei Bedingungen erfüllte: Sie war realistisch genug, um sich selbst in dieser Welt sehen zu können, und sie war grundsätzlich positiv. Die gezeigte Welt war erstrebenswert. […] Und so hat „Star Trek“ einer Generation von zukünftigen Ingenieuren ein Zukunftsbild gezeigt, auf das diese jetzt hinarbeiten, bewusst oder unbewusst.“

Das ist ein wichtiger Punkt: Wirkmächtige Bilder müssen natürlich ein überschießendes Moment haben (sonst wären sie langweilig), aber sie müssen dabei auch in einem bestimmten Maße realistisch sein. Und sie müssen erstrebenswert, positiv sein. Nur so kann ich mich selbst in diesem Bild sehen. Das ist ja fast schon eine Gebrauchsanweisung!

Hier haben natürlich gerade die großen spirituellen Traditionen einiges an Erfahrung zu bieten. Allerdings nicht, weil sie die einzigen wären, die solche Bilder hätten oder weil sie besonders positive Bilder hätten (beides ist nicht zwingend der Fall), sondern weil sie wie kaum jemand anderes Erfahrung damit haben, wie Bilder „funktionieren“. Schon das deutsche Wort „Bildung“ macht dies deutlich: Etymologisch geht das Wort auf die christlich-mystische Praxis zurück, bei der der das Bild Christi so lange „imaginiert“ wird, bis es die anderen Bilder im Menschen überschrieben hat („înbildung“ hat das Meister Eckhart genannt). Das Arbeiten mit Imaginationen, die Nutzbarmachung der Vorstelllungskraft und das Entwickeln von positiven Zukunftsbildern ist ein zutiefst spirituell aufgeladener Prozess.

tl;dr
Man kann nur das tun, von dem man eine Vorstellung hat. Glücklich der, der auf Menschen trifft, die einem lebensförderliche Bilder von der Welt oder gar von sich selbst zeigen. An dieser Stelle können sich soziale Arbeit (bzw. Therapie) und spirituelle Traditionen befruchten.

Diakonisches Liedgut

Singen ist identitätsstiftend. In bestimmten Gruppen und Szenen wird ein ganz bestimmtes Liedgut gesungen (oder eben auch nicht). Das schafft während des Singens ein Gefühl von Zugehörigkeit, und es verursacht oft Jahre oder Jahrzehnte später noch einen Schauer, wenn man das eine oder andere Lied wieder hört. Philipp Greifenstein hat vor einiger Zeit seine „Hitparade“ neuer geistlicher Lieder zusammengestellt. Da sind ja ein paar Schätzchen dabei, Mann… Manche sprechen in dem Zusammenhang auch gern von „neuem geistlosen Liedgut“ – stimmt in vielen Fällen ja (leider) auch.

Wie sieht es denn eigentlich  mit dem Singen in der Diakonie aus? Ist die Diakonie ein Sangesnährboden? Hmm, das kann man nicht wirklich beantworten. Das liegt vor allem daran, dass die Diakonie zu „groß“ und damit zu unspeziell ist. Ein „typisches“ Liedgut gibt es immer nur in thematisch begrenzten Szenen – und wohl kaum in einer ganzen Branche. Deshalb gibt es auch keine „Diakonie-Hymne“. Und Lieder über die Diakonie finde ich recht bemüht, um es einmal vorsichtig auszudrücken… Siehe zum Beispiel hier oder hier.

Anstatt über die Diakonie zu singen, kann man natürlich auch singend dem Ausdruck verleihen, was sich im diakonischen Handeln spirituell vollzieht.

Gibt es Lieder, die in besonderem Maße eine „diakonische Spiritualität“ ausdrücken? Das ist natürlich Geschmackssache. Und Glaubenssache. An dieser Stelle möchte ich daher einfach einmal meine drei Favoriten gesungener diakonischer Spiritualität vorstellen.

Bleibet hier, und wachet mit mir

Das erste Lied ist ein Taizé-Lied: Bleibet hier, und wachet mit mir.

Eines der großen Missverständnisse in der Diakonie ist es, Diakonie vorschnell mit Aktion gleichzusetzen: Da, wo zupackend geholfen und getan wird, ist Diakonie. Diakonie als helfende Aktion ist oft das Selbstbild der Engagierten. Diakonie kann sich aber (gerade!) auch in purer Präsenz zeigen. Einfach gegenwärtig sein, da sein, da bleiben. Mein Diakonik-Lehrer hat die Trias bleiben – wachen – beten (Mk 14, 34+38), die in diesem Lied vertont wird, immer als den eigentlichen diakonischen Dreiklang bezeichnet. Er hat wohl recht.

Wechselnde Pfade

Das nächste Lied, das ich in besonderer Weise mit einer diakonischer Spiritualität verbinde, ist Wechselnde Pfade. Ich selbst kenne das Lied erst seit drei, vier Jahren. Es ist ein Pilgerlied, fester Bestandteil ist es zudem in der Schöpfungsspiritualitäts-Szene. Ein Video oder Audio habe ich nicht gefunden, aber immerhin die Noten.

Wechselnde_Pfade

Ich finde es einfach (und) schön. Wenige Worte und eine steile theologische Aussage: Alles ist Gnade. Ist es das? Ich singe es zumindest gern. Und seine Wirkung entfaltet es, wenn es – wie das Taizé-Lied Bleibet hier – immer und immer wieder gesungen wird, also mantrisch.

UPDATE 2014-12-20 Na, da habe ich jetzt doch ein Audio gefunden. Und zwar bei Jan Frerichs franziskanischer Lebensschule:

The Servant Song (Brother, Sister Let Me Serve You)

Und schließlich noch ein Lied, das das Dienen aufgreift. Dabei ist Dienen so eine Sache, mit vielen Missverständnissen verbunden – gerade in der Diakonie. „The Servant Song“ hebt das gegenseitige Dienen hervor, um einander christusförmig zu werden. Es hat etwas folkig Leichtes an sich und ist doch eine Hymne. Das Lied hat es mir angetan.

Komponiert hat es der neuseeländische Songwriter Richard Gillard Mitte der 1970er Jahre. Im anglikanischen Kontext ist der Song wohl bekannt, bei uns so gut wie unbekannt. Den Text findet man in den Anmerkungen zu dem YouTube-Video. Ich meine mich an eine Übertragung ins Deutsche von Yotin Tiewtrakul erinnern zu können, in seinem Blog ist sie aber leider nicht mehr.

Nachweise: Bleibet hier, und wachet mit mir: Jacques Berthier, Verlag Ateliers et Presses de Taizé; Wechselnde Pfade: Pilgerlied, Quelle unbekannt Text baltischer Hausspruch, Musik Gerhard Kronberg; The Servant Song (Brother, Sister Let Me Serve You): Richard Gillard, Verlag Marantha Music Inc.

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Diese drei Lieder verdichten für mich diakonische Spiritualität auf wunderbare Weise: „Bleibet hier, und wachet mit mir“, „Wechselnde Pfade“ und  „The Servant Song (Brother, Sister let me serve you)“. Singen!

Spirituelle Anamnese

Im Zusammenhang mit der Profilierung diakonischer Arbeit gibt es immer wieder die Forderung, Religion/Spiritualität/Glaube stärker zu thematisieren. Man kann dabei grob zwei Ansätze unterscheiden: Verkündigung und Coping. Das muss sich nicht ausschließen, aber es sind halt zwei verschiedene Intentionen.

Bleiben wir beim Coping: Der Glaube kann eine wirksame gesundheitsförderliche (oder sagen wir besser: eine lebensförderliche) Ressource sein. In diesem Sinne kann Spiritualität gerade in Beratungskontexten sinnvoll zum Thema gemacht werden.

Nun gibt es immer den Einwand, dass Religion nicht verzweckt werden dürfe, und Copingansätze sind natürlich sehr funktional gedacht. Ja, wichtiger Hinweis, aber man sollte das auch nicht überbewerten. Um nun zu ergründen, ob und inwiefern spirituelle Ressourcen genutzt werden können, bietet sich eine „spirituelle Anamnese“ an. Dazu braucht es gute Fragen.

Harald G. Koenig, amerikanischer Psychiater und Leiter eines universitären Zentrums für Spiritualität, Theologie und Gesundheit, schlägt vier Fragen vor. Man muss sie für die Soziale Arbeit etwas umformulieren, da sie aus dem medizinischen Kontext stammen, aber das dürfte ja kein Problem sein.

„1. Geben Ihnen Ihre religiösen bzw. spirituellen Überzeugungen Trost (Comfort), oder verursachen sie Stress?

2. Haben Sie Überzeugungen, die einen Einfluss (Influence) auf ihre medizinischen Entscheidungen haben könnten?

3. Sind Sie Mitglied (MEMber) einer religiösen oder spirituellen Gemeinschaft? Wenn ja, erhalten Sie von ihr Unterstützung?

4. Haben Sie weitere (Other) spirituellen Bedürfnisse, um die sich hier jemand kümmern sollte?“ (Harald G. Koenig: Spiritualität in den Gesundheitsberufen. Ein praxisorientierter Leitfaden, Stuttgart 2012, S. 48).

Das Instrument nennt Koenig dann CSI-MEMO-Schema. (Unter (amerikanischen) Medizinern und Psychologen gibt es halt dieses krampfhafte Bemühen, lustige Abkürzungen für die eigenen Tools zu entwickeln, sei’s drum…).

Und Koenig setzt noch einen drauf, er bietet auch noch eine „Ein-Frage-Methode“ an:

„Haben Sie spirituelle Bedürfnisse oder Sorgen im Zusammenhang mit Ihrer Gesundheit?“ (ebd., S. 50).

Wenn man ein bisschen sucht, findet man einige solcher Tools zur „spirituellen Anamnese“. Ich halte davon recht viel.

Spiritualität der Stadt (1): Stadtgebet

Der Beginn einer kleinen Serie zu Aspekten urbaner Spritualität. In der letzten Zeit bin ich auf einige konkrete Ansätze gestoßen, die man alle unter dem Titel „Spiritualität der Stadt“ zusammenfassen könnte. Und all diese Ideen sind interesanter Weise deutlich diakonisch grundiert (jedenfalls in meinen Augen). Deshalb möchte ich sie in loser Reihenfolge vorstellen. Ich beginne mit der Idee des Stadtgebets, ein „wöchentliches Tagezeitengebet“ mit Stadt-Bezug samt städtischer Gebetsgemeinschft.

Ich habe es durch Zufall entdeckt: Stadtgebet – Ermutigung zu einer neuen Gebetsform, von Hans-Heinz Riepe, mittlerweile nur noch antiquarisch erhältlich.

Das Stadtgebet ist ein halbstündiges, wöchentliches Abendgebt (samstags 18:30), mit einer klaren, einfachen Form.

„Themen, Probleme, freudige oder traurige Anlässe und Anliegen der Menschen sollen im „Stadtgebet“ nicht diskutiert, sondern im Gebet vor Gott gebracht werden.“ (S. 19)

Jedes Stadtgebet steht unter einem Thema, das einen Ortsbezug hat. Die Form erinnert mich ein bisschen an das Politische Nachtgebet, aber das Stadtgebet bezieht sich in erster Linie auf die konkreten Anliegen der Menschen vor Ort und scheint mir stärker liturgisch ausgerichtet zu sein.

Dieses Buch gibt die Erfahrungen mit einer neuen Form der Tagzeitenliturgie wieder. „Neu'“an dieser Form sind nicht die einzelnen Elemente (…). Das „neu“ bezieht sich zunächst einmal auf unsere Stadt und dann auch auf den spezifischen Aspekt des „Stadt“gebets. Reizvoll neu waren unsere Erfahrungen mit dem „Sitz im Leben“, den dieses Gebt für die Stadt und in der Stadt hat. Dass ein Gebet Veränderungen in den Gemeinden auslöst und Auswirkungen bis in die Öffentlichkeit unseres Gemeinwesens hinein hat, war bisher jedenfalls keine alltägliche Erfahrung. (…) Ganz aus dem Evangelium und ganz aus der Situation heraus zu beten ist das Anliegen, gemäß der Aufforderung beim Propheten Jeremia (29,7): „Suchet der Stadt Bestes, in die ich euch geführt habe, und betet für sie zum Herrn; denn in ihrem Wohl liegt auch euer Wohl“ (S. 7).

Das „Stadtgebet“ greift die Tradition des Tagzeitengebets auf, freilich als wöchentliches, nicht als tägliches Gebet. Hans-Heinz Riepe schildert daher in seinem Buch auch einen Aspekt, der für das praktische Gelingen wie für das theologische Verständnis einer solchen Gebetsform wichtig ist:

Da wir hier keine Klostergemeinschaft haben, die den Kern der Betenden stellen könnte, müssen wir in Schwerte eine „Gebetsgemeinschaft Stadtgebet“ neu gründen. Sie soll sicherstellen, dass an jedem Samstagabend das Stadtgebet stattfinden kann. Konkret gesprochen müssten, damit an 50 Samstagen im Jahr jeweils 20 Beter versammelt sind, sich mindestens 250 Gemeindemitglieder verpflichten, 4mal im Laufe des Jahres am Stadtgebet teilzunehmen. Nur wenn die Zahl erreicht wird, macht es Sinn, mit dem Gebet überhaupt zu beginnen, da es sich sonst nach allen Erfahrungen nichtz durchträgt (S. 19).

Mir gefällt das sehr. Und zwar deshalb, weil hier zwei gute Ideen zusammenkommen und beide ernst genommen werden: lokaler Bezug bzw. urbaner Kontext und liturgisch klare Form, inklusive Gebetsgemeinschaft.

Solch eine Gebetsform kann eine Bereicherung für gemeinwesendiakonische Ansätze sein. Und umgekehrt: Gemeinwesendiakonisches Engagement bereichert solch eine liturgische Form durch die Kenntnis der konkreten Anliegen des Ortes. Eine nicht zu lang dauerende und klare Form bietet zudem die Chance, dass Menschen, die bisher wenig oder keine kirchlichen Bezüge haben, Kirche und Gebet (neu) entdecken können.

Diakonische Evolution

1971 erschien von Gerhard Noske „Die beiden Wurzeln der Diakonie“ (nur noch antiquarisch erhältlich). Noske beschreibt darin zwei Quellen, aus denen sich diakonisches Handeln speist. Oder um im Bild Noskes zu bleiben: Diakonie lebt aus dem Zusammenwirken „zweier weitverästelter Wurzeln“. Der eine Wurzelstrang ist der menschliche Hilfstrieb, der andere die Hilfe im Kraftbereich des Christusglaubens. Auch wenn für Noske Letzteres das „spezifische Wesensmerkmal“ der Diakonie ist, stellt er doch klar, dass Diakonie aus dem Zusammenwirken beider Wurzeln erwächst.

So Manches an Noskes Ausführungen wirkt heute etwas befremdlich, das Besondere ist aber, dass Noske eben von zwei Wurzeln ausgeht, dass er neben christologischen Begründungen auch schöpfungstheologische Motive heranzieht. Die Begründung des Selbstverständnisses der Diakonie begann sich zu wandeln bzw. zu erweitern. Heute rücken schöpfungstheologische Reflexionen wesentlich stärker in den Vordergrund, zuletzt noch einmal sehr deutlich von Heinz Rüegger und Christoph Sigrist herausgearbeitet.

In dieser Argumentation kommt man dann über kurz oder lang zu der Frage, ob der Mensch grundsätzlich ein sorgendes und pflegendes Wesen ist, also bereits in seinem Bauplan ein “diakonischer” Trieb angelegt ist, oder ob Zuwendung über die pure Arterhaltung hinaus immer nur ein Phänomen in bestimmten historischen und situativen Nischen gewesen ist.

Anders gefragt: Ist “Diakonie” – nicht als Organisation sondern als Handlungsmotiv verstanden – ein konstitutiver Zug des Menschseins oder ist sie eher so etwas wie dessen Gegenprogramm, weil der Mensch grundsätzlich egoistisch angelegt ist? Michael Blume sieht durch die Evolutionsforschung eindeutig die erstere These bestätigt:

“Auch evolutionswissenschaftlich halte ich den Sozialdarwinismus für schlichtweg falsch. Der Mensch wurde, wie schon Darwin zu Recht erkannte, gerade in seiner Evolution zum “sozialen Tier” und konnte sich nur so – in vertrauensvoller Gemeinschaft – zu einem (einigermaßen) intelligenten Lebewesen mit langer Kindheit und also gegenseitiger Abhängigkeit entwickeln. Ohne mitmenschliche Diakonie (wörtlich: Dienst), ohne Caritas (wörtlich: Nächstenliebe) hätte sich auch kein Homo sapiens sapiens entwickeln können.”

Der Natur des Glaubens-Blogger hat für das gerade erschienene Buch Geistesgegenwärtig pflegen (herausgegeben von Johannes Stockmeier, Astrid Giebel und Heike Lubatsch), einen Artikel zur “Pflege und Religiosität in der Naturgeschichte des Menschen” beigesteuert. Dort kommt er zu dem Schluss:

“Die sich immer deutlicher abzeichnende Antwort der modernen Evolutionsforschung hat in sehr direkter Weise mit Erfahrungen der Diakonie zu tun: Es ist das Zeugnis der glaubwürdigen Tat, im evolutionsbiologischen Jargon das “Glaubwürdigkeit steigernde” oder auch einfach “ehrliche Signal” [H. Jospeh 2009]. Menschen schließen sich häufiger den Gemeinschaften an, in denen ein Zusammenhang zwischen gepredigten Ansprüchen und Taten hin zu Verbindlichkeit, Gegegnseitigkeit und, ja, Liebe erkennbar ist. […] Und evolutionär ist das mehr als schlüssig, schließlich gehen wir alle auf Vorfahren zurück, die über viele tausende Generationen hinweg ausreichend richtige Entscheidungen getroffen haben. […] Ja, mit Egoismus, Aggression und Betrug haben Menschen zu kämpfen, noch bevor sie Menschen wurden. Aber nur jene, denen es dennoch immer wieder gelang, auch lebensförderliche Gemeinschaften zu errichten und zu erhalten, gehören zu unseren Vorfahren” (Michael Blume 2012; S. 288, 288, 289).

Diakonie – in einem recht weiten Verständnis – hat den Menschen erst zu dem werden lassen, was er ist. Gerade die Sorge auch für diejenigen Menschen, die für Clan, Sippe oder Kollektiv streng genommen gar keinen Nutzen mehr aufwiesen (wie z.B. alte Kranke), wird wohl ein Grund gewesen sein, sich eben zu diesen Gemeinschaften zu halten. Und von Menschen aus diesen Gemeinschaften stammen wir ab.

Evolutionswissenschaftlich gesehen ist Diakonie in uns angelegt (ob wir dies als Diakonie interpretieren und dann auch so benennen, ist noch einmal eine andere Frage). Ich muss gestehen: Das gefällt mir.

Michael Blume: Pflege und Religiosität in der Naturgeschichte des Menschen, in: Stockmeier/Giebel/Lubatsch (Hg.): Geistesgegenwärtig pflegen, Band 1, Neukirchen-Vluyn 2012, 283-293. Michael Blume stellt seinen Artikel auch als PDF zur Verfügung.

Vom teuren und vom billigen Teilen

In Diakonie und Kirche hat das Motiv des Teilens eine große Bedeutung. Das klassischste aller klassischen Beispiele ist natürlich Martin von Tours, wie er seinen Mantel mit einem Armen teilt. Das Wesentliche an dieser Art des Teilens ist: Das, was der eine hat, hat der andere nicht mehr. Theoretisch gesprochen: Der Mantel ist ein rivales Gut. Es hat sich verzehrt, vermindert – und das ist der Preis des Teilens. Teilen kostet.

Es gibt noch eine andere Variante des Teilens. Sie ist ein Bestandteil der Ein-Klick-Beteiligungs-Trias „Gefällt mir – Kommentieren – Teilen“. Teilen meint hier Verbreiten, und das bedeutet nichts anderes als Vervielfältigen. Mathematisch gesprochen geht es also ums Multiplizieren, das Manteilteilen ist hingegen Dividieren. Zwei völlig verschiedene Arten des Teilens also: Manches verzehrt sich durchs Teilen, Anderes vermehrt sich durchs Teilen.

Kester Brewin hält das Teilen, das einen nichts kostet, für eine verarmte Art des Teilens. Interessanter Gedanke.

„But there’s a sense in which this sort of sharing does not cost me anything. And actually, that’s an impoverished view of what sharing should be about.

In the traditional sense, sharing has also been about hospitality. If I share my food with someone hungry, then that is rivalrous sharing, and that actually costs something. If I share my wealth, my property, my time – these are all things that are costly“ (Kester Brewin).

Das heißt nun nicht, dass nur teures Teilen gutes Teilen ist. Aber billiges Teilen allein ist schon etwas armseelig. Das, was dabei verloren geht, ist die Dimension von Gastfreundschaft (hospitality).

Was macht dich glücklich?

Man nehme: Eine einfache Frage, eine Kamera und Interesse am Anderen.

Man erhält:

Amen.

Was macht dich glücklich? Was eine solch einfache Frage so alles hervorrufen kann – und welche Tiefenschichten sie erreicht.

Was mir auffällt: Wie intim dieses Thema ist.

Was ich nicht so ganz verstehe: Warum beschäftigt sich die Theologie (vor allem die protestantische Variante) so wenig mit der Frage nach dem Glück? Ist die Frage zu trivial? Ich finde die Antworten im Video jedenfalls alles andere als banal. Ist Glück ein theologisch zu schlichtes Konzept? Für mich nicht. Soweit ich weiß (man möge mich bitte korrigieren, wenn ich da falsch liege), hat Glück zudem eine inhaltliche Nähe zu Segen und Fülle. Worum geht’s denn eigentlich im Leben? Um so existenzielle Dinge wie glücklich sein, erfüllt sein, gesegnet sein. Ganz einfach, und doch so schwer.

Was mich nachdenken lässt: Stellen wir diese Frage zu selten? Uns selbst? Unseren Menschenbrüdern und -schwestern? Und vor allem: Stellen wir als Professionelle in Diakonie und Sozialer Arbeit diese Frage zu selten? Weil sie zu pathetisch ist, weil sie uns peinlich ist, weil sie unprofessionell wirkt? Ich habe zweieinhalb Jahre in der Glücksspielsuchthilfe gearbeitet und nie jemanden gefragt, was ihn eigentlich glücklich macht. Mann.

Tafelfreude

Vor kurzem erzählte mir ein Jugendreferent, dass bei der Renovierung eines gemeindlichen Jugendzentrums überlegt wurde, den Hauptraum mit einer einzigen langen Tafel auszustatten. Durchgesetzt hatte sich dann schließlich die pragmatische Lösung mit kleinen Einzeltischen. Für ein Jugendzentrum ist solch eine funktionale Betischung (gibt es dieses Wort, oder gibt es nur die klassische „Bestuhlung“?) sicherlich auch angemessen. Bemerkenswert fand ich aber, dass die Tafel-Idee wirklich in der Diskussion war.

Und dann kamen im Gespräch immer mehr Tafel-Erlebnisse auf den Tisch: Bei einer „Nacht der Kirchen“ wurde in einer Kirche vom Altar bis weit hinaus auf die Straße eine Tafel aufgebaut, bei einem Stadtteilfest stand auf der gesperrten Hauptstraße einfach eine lange Tafel, und jeder konnte kommen und etwas mitbringen (das erinnert ja ein bisschen hieran). Tafel wirkt anscheinend.

Und eben das hat mich nachhaltig beschäftigt. Was wirkt? Ich denke, es hat wohl mit den folgenden beiden Aspekten zu tun.

Zunächst: Schon allein das Bild der Tafel hat etwas Faszinierendes. Die einfache Form, das Gemeinsame und – in den meisten Fällen – das Mahl. Ich frage mich, ob die Tafel eigentlich auch ein archetypisches Urbild ist? Es spricht meines Erachtens einiges dafür (aber ich kenne mich zu wenig mit der psychoanalytischen Tradition aus). Jesus hat mit seinen Jüngern wohl nicht an einer Tafel sondern eher in einem Hock-/Sitz-Kreis das letzte Mahl gefeiert, aber Leonardo da Vincis Vorstellung der Abendmahls-Tafel hat Einzug gehalten in unsere kollektive Bilderwelt – und regt immer wieder zur Auseinandersetzung an (wie zum Beispiel diese hier).

Durch die Erzählung des Jugendreferenten ist mir noch etwas Bedeutendes klar geworden: Eine Tafel stellt quasi eine räumliche Intervention dar. Hätte sich das Jugendzentrum tatsächlich für eine Tafel als einziges Möbelstück entschieden, wäre es ein anderes Jugendzentrum. (Innen-)Architektur verändert nicht nur den physischen Raum, auch den Sozialraum.

Vor einiger Zeit war ich in einem Berliner Hotel, in dessen Frühstücksraum eine sehr lange Tafel steht (siehe hier). Wer genau hinschaut, sieht, dass es auch noch Nischen gibt, um nicht gezwungen zu sein, an der Tafel Platz zu nehmen. Für das Hotel ist dies vielleicht einfach nur ein stylisher Akzent, aber mich hatte es trotzdem beeindruckt. Wie ich schon sagte: Tafel wirkt.

Siehe auch meinen Beitrag Diakonische Tische.

arm dran

Es gibt zig Armuts-Definitionen. Kürzlich bin ich auf die folgende gestoßen:

„Arm ist, wer etwas kann und etwas tun könnte, aber nichts tun darf. Arm ist, wem das Wirkungsfeld genommen ist. Dass er weniger Geld als andere hat, ist schmerzhaft. Dass er nichts mehr gestalten kann, ist schmerzhafter“ (gitschiner15).

Das Zitat ist von Joachim Ritzkowsky, Gründer der Obdachlosenarbeit der Berliner Kirchengemeinde Heilig Kreuz-Passion.

Soviel du brauchst

Die Losung für den nächsten Kirchentag – 2013 in Hamburg – steht fest:

Soviel du brauchst (2. Mose 16,18).

Wir befinden uns in der Exodus-Erzählung. Das Volk Israel ist aus Ägypten ausgezogen und leidet auf seiner Wanderung durch die Wüste große Not. Gott lässt Brot vom Himmel regnen – Manna – und die Leute sollen es einsammeln. Wer wenig gesammelt hat, hat dennoch nicht zu wenig, und wer viel gesammelt hat, hat dennoch nicht zu viel. Die Generalsekräterin Ellen Ueberschär betont zwei Seiten des soviel du brauchst. Zum einen: Es ist genügend da. Zum anderen: Verbrauche nur so viel, wie wirklich nötig ist (Pressemitteilung). Und damit hat diese wundervolle Geschichte vielfältige diakonische Anknüpfungspunkte.

Ich bin kein großer Freund davon, einige (wenige) biblische Geschichten als „typisch diakonische“ Geschichten darzustellen. In der Diakonie geschieht dies oft, Platz 1 belegt natürlich der Barmherzige Samariter (Lk 10), dicht gefolgt von Jesu Rede vom Weltgericht (Mt 25). Nichts gegen diese Bibelstellen (ganz im Gegenteil!), aber das sind für mich nicht die Diakonie-Bibelstellen, so als würde es eine Art „diakonisches Sondergut“ in der Bibel geben. Reizvoller und auch hilfreicher ist es, in der ganzen Breite der biblischen Überlieferung diakonische Momente zu entdecken. Eine Reduktion auf zwei, drei, vier Bibelstellen ist recht platt. Und allzu schnell schleicht sich dann auch noch in den Auslegungen ein appellierend-moralisierender Unterton ein (auch hierfür sind die beiden genannten Texte wieder sehr gute Beispiele). Nein, diakonisch relevant ist eine ganze Menge in der Bibel. Und die Bibelstelle, aus der das soviel du brauchst entnommen wurde, gehört dazu.

Dies ist eine von zahlreichen biblischen Geschichten, in denen es um Mangel und Fülle geht. Es ist ein wiederkehrendes biblisches Motiv: die Erfahrung von Mangel und die Hoffnung auf Fülle. Oder auch so herum: die Angst vor Mangel und die Erfahrung von Fülle. Dieses Motiv geht dabei weit über seine materiellen Dimensionen hinaus (auch wenn es natürlich in der materiellen Dimension als besonders erschütternd erlebt wird).

Ich bin mir nicht ganz sicher, aber aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass das biblische Mangel/Fülle-Motiv im diakonischen Bereich eher wenig aufgegriffen wird. Wie gehen wir mit den enstprechenden Erfahrungen, Ängsten und Hoffnungen um? Werden im diakonischen Handeln nicht viel mehr Energien verzehrt durch ein permanentes Abarbeiten am Mangel, als neue Energien geweckt durch die Hoffnung auf oder die Erfahrung von Fülle? Ist so ein Satz wie soviel du brauchst in der diakonischen Arbeit nicht eher eine Zumutung, etwas Zynisches? Wenn ich hierüber nachdenke, merke ich, was für eine wunderbare Losung dies ist. Die Diakonie kann hierzu auf vielfältige Art ihre Erfahrungen einbringen – und sich vom Mangel/Fülle-Motiv durchaus auch herausfordern lassen…

Co-op-er-a-tion!

Ich bin mit der Semsamstraße aufgewachsen und muss anerkennend sagen: Ich habe da eine Menge gelernt. Nicht nur den Unterschied zwischen „hier“ und „dort“ oder zwischen „oben“ und „unten“, auch der Zahlenraum von 1 bis 10 wurde eingeübt, auf die Tücken, dass man ein „M“ und ein „W“ leicht verwechseln kann, wurde hingewiesen (sehr hilfreich wenn man es käuflich erwerben will!) und die Tatsache, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn zwei Männer zusammen wohnen (?), hat sicherlich auch einen nicht zu unterschätzenden Wert für das gesellschaftliche Zusammenleben.

A propos Gesellschaft: Ein Trend ist ja gerade das Urban Gardening – und ich bin davon richtig begeistert. Ist aber ein alter Hut, denn in einem vielleicht 30 Jahre alten Sesamstraßen-Clip (der amerikanischen „Muttersendung“, der Sesame Street) kannte man das bereits. Dabei ist das gemeinsame Gärtnern nur der Aufhänger, denn eigentlich geht es um das dahinter liegende Motiv: sich einbringen und sein Umfeld gestalten – und zwar gemeinsam. Die Sesamstraße hämmert in unsere Köpfe:

cooperation – makes it happen
cooperation – working together

Also ein kleines diakonisches Education-Programm. Bitte nicht anschauen, wenn man einen Ohrwurm gerade nicht gebrauchen kann. Ich trommel und summe schon den ganzen Tag vor mich hin…

Danke an die Leute vom Prinzessinengarten für den Hinweis auf dieses Video!

Manamana.

Heilsames Singen

Die Evangelische Kirche im Rheinland hat ein Werkbuch rund ums Singen herausgebracht. Es vereint zwei Vorteile: es ist richtig gut und es ist völlig kostenlos. 2012 ist das Jahr der Kirchenmusik und die rheinische Kirche bietet zum Auftakt ihrer Kampagne S!ngen – jede Stimme zählt eben dieses Werkbuch an.

Einen Text in dem Werkbuch fand ich besonders anregend: Elisabeth Schubarth beschreibt die heilsamen Aspekte des Singens (S. 99-103) – eine uralte Erkenntnis, die sich immer wieder bewahrheitet und die auch wissenschaftlich belegt ist. Der Artikel bietet einen guten Überblick über die Vielzahl an heilsamen Effekten des Singens, und ich wollte erst die wichtigsten diakonischen Dimensionen hier zusammenfassen. Aber das ist kaum sinnvoll, weil ich dann im Grunde jeden dritten Satz des Artikels hier wiederholen müsste.

Singen ist eine äußerst wirkmächtige Möglichkeit, ein Gefühl für den eigenen Körper zu bekommen und – wenn es in Gemeinschaft geschieht – eine wunderbare Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe (zwei Effekte, die ja auch fürs Sporttreiben gelten). Aber Singen geht hierüber weit hinaus…

Mir ist beim Lesen noch einmal deutlich geworden, wie wichtig es ist, das Singen als Kulturgut, als Therapietool und als spirtuelle Ausdrucksform zu pflegen. Dazu beizutragen, dass viele Menschen mit dem Heilsamen des Singens in Berührung kommen, ist eine immens wichtige Aufgabe und gleichzeitig auch ein besonderer Wert von Kirche und Diakonie.