Zum ersten Mal habe ich vom „Ambient Assisted Living“ (AAL) in einem Vortrag von Hanns-Stephan Haas gehört. Ich hatte nur eine vage Ahnung, mit dem Begriff selbst konnte ich zunächst nichts anfangen. Später flatterte dann ein Verteilmagazin zum AAL über meinen Schreibtisch:
„AAL steht für Ambient Assisted Living. Das klingt abstrakt, meint aber etwas sehr Konkretes: den Einsatz intelligenter Technik, die das Leben einfacher, sicherer und gesünder macht – und die dazu beiträgt, dass Menschen so lange und so selbstbestimmt wie möglich in ihrem vertrauten zu Hause leben können, besonders, wenn sie bereits auf Unterstützung oder Pflege angewiesen sind. Schon heute gibt es eine wachsende Zahl überzeugender AAL-Anwendungen.“
AAL kann vor allem bei älteren Menschen und bei Menschen mit Behinderung zum Einsatz kommen. Wenn man sich die quantitativ beeindruckende Liste der AAL-Anbieter anschaut, die mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung kooperieren, stellt man schnell fest, wie groß dieses Segment wohl ist.
Hanns-Stephan Haas sieht für die Zukunft der sozialen Dienste einen Dreier-Mix aus bürgerschaftlichem Engagement, Profi-Diensten und Techniklösungen (eben AAL). Er spricht von einem „neuen Technik-Bürger-Profi Mix“:
„Wo immer technische Innovationen möglich sind, müssen sie in die Lebensgestaltung einbezogen werden. Die aal-Technologie wird weiter enorme Sprünge erleben und gerade auch in strukturschwachen Regionen einen wesentlichen Beitrag liefern. Haushaltsnahe Dienstleistungen müssen intelligent vernetzt und möglichst effizient gesteuert werden. Ein standardisiertes Casemanagement muss für bestimmte Lebenssituationen entwickelt und ortsnah vorgehalten werden. Ziel muss dabei die Stärkung, Aufrechterhaltung und der Wiedererwerb der Selbsthilfepotenziale sein. So weit möglich und in ganz anderem Maße als bisher müssen Assistenzbedarfe durch bürgerschaftliche Netzwerke abgedeckt werden. Bürgertelefone, Nachbarschaftsassistenz, niederschwellige pflegerische und Versorgungsdienstleistungen sind nicht nur ‚billige Substitute’ der an sich wünschenswerteren professionellen Dienstleistung, sondern die angemessene ortsnahe Assistenz, die die Einbindung in den eigenen Sozialraum stärkt und soziale Entwurzelungsprozesse verhindert“ (Hanns-Stephan Haas: Kirchengemeinden und diakonische Unternehmen als Player in einem inklusionsorientierten Sozialraum – Perspektiven eines neuen Miteinanders von Kirche und Diakonie, epd-Dokumentation 29/2010, S. 16).
Meine bisherigere Vermutung war ja immer, dass in der Diakonie high tech-Trends eher kritisch gesehen werden. Man will schließlich in erster Linie viel high touch anbieten – zumindest vom Anspruch her. Daher ist es interessant zu fragen, wie das Thema innerhalb der Diakonie aufgegriffen wird. Ganz genau kann ich diesen „Trend“ noch nicht einordnen: Einerseits bringt eine Suchabfrage auf der Seite diakonie.de ganze null Treffer. Andererseits sind einige diakonische und caritative Unternehmen längst dabei, AAL voranzutreiben. Siehe hier oder hier.
AAL berührt nicht nur technische Fragen (was ja auf der Hand liegt), sondern auch ethische Fragen (was hoffentlicht nicht ausgeblendet wird). Und darüber hinaus trifft es die Frage nach dem Selbstverständnis der Diakonie im Mark. Hanns-Stephan Haas sieht die Rolle der Diakonie vor allem in der eines Service-Intermediärs und eines Sozialraum-Enablers (S. 16). Das hat mit den traditionellen Hilfeverständnissen der organisierten Diakonie nun wirklich gar nichts mehr zu tun. Gerade das ist spannend. Ich will mir darüber keine vorschnellen Urteile erlauben – ahne aber, dass es genau die richtige Debatte ist.