Was ist Diakonie? (#12)

In meiner Was ist Diakonie?-Serie tauchte bislang einer noch gar nicht auf: der barmherzige Mann aus Samarien, der unentwegt in Diakonie-Andachten, -Seminaren und -Debatten zitiert wird. Das liegt daran, weil ich die biblische Erzählung vom „Barmherzigen Samariter“ gar nicht so sehr als Inspirationsquelle für organisierte Diakonie sehe – anscheinend im Gegensatz zu vielen, vielen anderen Diakonikern.

Es ist eine wunderbare Erzählung, natürlich. Doch das beschriebene Handeln des Samariters hat mit der Tätigkeit in der Diakonie als Erwerbsarbeit erstmal wenig zu tun. Sicher, gerade deshalb kann man sie als moralischen Kontrapunkt einbringen („Sei auch du ein Samariter, fachlich, froh und unverzagt!“). Doch ich erlebe, dass Mitarbeitende in der Diakonie den Kern der Geschichte eh in sich tragen. Daher sollte man besser ganz andere Geschichten erzählen.

Wenn man sie aber erzählt, reicht es, in die Szenerie der Geschichte einzutauchen und sie nachzuempfinden. Das geht am besten mit einem Bibliolog. Rainer Fischer, Seelsorger im Ev. Krankenhaus Bergisch Gladbach, berichtet davon:

„Erschließt man einen »Klassiker« aus dem biblischen Repertoire diakonischer Vorbilder, die Beispielerzählung vom barmherzigen Samariter, durch einen »Bibliolog« mit Mitarbeitenden aus der Diakonie, bricht diese Spannung regelmäßig in den Beiträgen auf: Dass Priester und Levit (aus beruflichen Gründen?) sich keine Zeit nehmen (können), stößt auf Verständnis, zugleich besteht jedoch eine tiefe Unzufriedenheit mit dieser Situation. Das Versprechen der Selbstkostendeckung, das der Samariter gegenüber dem Gastwirt abgibt, stößt auf Misstrauen und weckt nostalgische Gefühle angesichts gegenwärtiger Fallpauschalen und Arbeitsverdichtung. Die Figur, mit der man sich am besten identifizieren kann, ist immer weniger der spontan handelnde und von seiner eigentlichen Zeitplanung abweichende Samariter, statt dessen projiziert sich das eigene Rollenverständnis auf den entlohnten Wirt – und am allermeisten auf den Esel, dem die ganze Last des Hilfsbedürftigen aufgeladen wird, ohne dass er am Entscheidungsprozess beteiligt ist.“ (Rainer Fischer: Leitbild leben, in: Dehnübungen. Geistliche Leitung in der Diakonie, S. 104/105, Düsseldorf 2015)

tl;dr
Was ist Diakonie? Samariter- (sehr klassisch) und Wirt- (mittlerweile auch schon klassisch), Priester-, Levit- und Eselsein.

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