Felix von Leitner („fefe“) hat in der FAZ vom 13.09.2013 seine „Stark-Trek-Theorie“ vorgestellt. Und die geht so: Warum gibt es aufklappbare Handys, USB-Speichersticks, Tablets, Computer mit Spracheingabe oder Google Glass? Ganz einfach: Weil das alles Dinge sind, die ein paar Jahrzehnte zuvor bereits in der Welt von Star Trek gezeigt wurden.
„Das alles liegt daran, dass „Star Trek“ fast zehn Jahre lang im Fernsehen lief. Diese Zeit war die Kindheit der Menschen, die heute im Silicon Valley und anderswo Dinge erfinden. Um Dinge zu erfinden, muss man sie sich vorstellen können. Daher fällt Science-Fiction in unserer Gesellschaft ein besonders hoher Stellenwert zu. Science-Fiction schafft Bilder, schafft Vorstellungen. Die Ingenieure bauen sie dann.“
Nur was man sich vorstellen kann, kann man umsetzen. Was nicht im Bereich der eigenen Vorstellungskraft liegt, ist nicht machbar. Dieser einfache Gedanke ist ein wichtiger Schlüssel für die Gestaltung von Welt und des eigenen Lebens. Im Grunde ist es eine spirituelle Weisheit. Und das Nutzbarmachen dieser Weisheit ist gerade auch für diakonisches Arbeiten von großer Bedeutung.
Ein einfaches Beispiel: Wenn Menschen für ehrenamtliches Engagement gewonnen werden sollen, müssen diese eine Vorstellung davon haben, was das ist (das wissen viele Menschen tatsächlich nicht, jedenfalls nicht im Konkreten!) und dass dies irgendwie positiv oder sinnvoll ist. Ohne dies gibt es kein Engagement, da können die Rahmenbedingungen noch so gut sein. Das klingt zu banal? Das mag sein. Aber ich frage mich immer wieder, wer eigentlich dieses furchtbare Wort „Freiwilligenmanagement“ erfunden hat. Denn Freiwillige lassen sich nicht „managen“ – aber von Bildern leiten. Statt „Freiwilligenmanagement“ bräuchte es also viel eher so etwas wie „Bildbearbeitung“.
Ähnlich ist es beim Empowerment. Empowerment funktioniert nicht über irgendwelche Tools und Techniken (auch wenn es unzählige davon gibt) und schon gar nicht übers „Motivieren“. Empowerment bedeutet im Kern: Ich (der „Empowerer“) habe ein Bild von dir (dem „Empowerten“), das größer ist als das, das du selbst von dir hast. Und ich versuche, dass dieses Bild in dich einsickert und unterstütze dich dann dabei, dass du es Gestalt werden lassen kannst. Für Letzteres sind manche der Tools und Techniken dann auch ganz hilfreich. Entscheidend ist aber das erste: das Vorhandensein eines großen (und trotzdem angemessenen) Bildes. Wer das als Sozialarbeiter nicht hat (es ist in jedem Einzelfall anders, klar), der verliert sich in wirkungslosen Techniken und belegt irgendwann eine Fortbildung zu heilsversprechenden Motivationstricks. Schade – oder wohl eher tragisch.
Ich belasse es einmal bei diesen beiden Beispielen, der Grundgedanke ist sicherlich klar geworden. Zurück zu der Ausgangsthese von Felix von Leitners Star-Trek-Theorie. Das eine ist ja die Vorstellungsfähigkeit an und für sich, das andere, dass ausgerechnet Star Trek so wirkmächtig gewesen ist (zumindest was Compuertechnik und Ingenieurskunst angeht – und auch der unbedachte Umgang mit Daten! Darum geht es von Leitner eigentlich in seinem FAZ-Artikel. Aber das ist nochmal ein ganz anderes Fass).
„Als einziges Science-Fiction-Programm zeigte „Star Trek“ eine Zukunft, die zwei Bedingungen erfüllte: Sie war realistisch genug, um sich selbst in dieser Welt sehen zu können, und sie war grundsätzlich positiv. Die gezeigte Welt war erstrebenswert. […] Und so hat „Star Trek“ einer Generation von zukünftigen Ingenieuren ein Zukunftsbild gezeigt, auf das diese jetzt hinarbeiten, bewusst oder unbewusst.“
Das ist ein wichtiger Punkt: Wirkmächtige Bilder müssen natürlich ein überschießendes Moment haben (sonst wären sie langweilig), aber sie müssen dabei auch in einem bestimmten Maße realistisch sein. Und sie müssen erstrebenswert, positiv sein. Nur so kann ich mich selbst in diesem Bild sehen. Das ist ja fast schon eine Gebrauchsanweisung!
Hier haben natürlich gerade die großen spirituellen Traditionen einiges an Erfahrung zu bieten. Allerdings nicht, weil sie die einzigen wären, die solche Bilder hätten oder weil sie besonders positive Bilder hätten (beides ist nicht zwingend der Fall), sondern weil sie wie kaum jemand anderes Erfahrung damit haben, wie Bilder „funktionieren“. Schon das deutsche Wort „Bildung“ macht dies deutlich: Etymologisch geht das Wort auf die christlich-mystische Praxis zurück, bei der der das Bild Christi so lange „imaginiert“ wird, bis es die anderen Bilder im Menschen überschrieben hat („înbildung“ hat das Meister Eckhart genannt). Das Arbeiten mit Imaginationen, die Nutzbarmachung der Vorstelllungskraft und das Entwickeln von positiven Zukunftsbildern ist ein zutiefst spirituell aufgeladener Prozess.
tl;dr
Man kann nur das tun, von dem man eine Vorstellung hat. Glücklich der, der auf Menschen trifft, die einem lebensförderliche Bilder von der Welt oder gar von sich selbst zeigen. An dieser Stelle können sich soziale Arbeit (bzw. Therapie) und spirituelle Traditionen befruchten.
Da steckt ja schon ein guter Gedanke für unsere neue NPO-Blogparaden-Runde drin („Freiwilliges Engagement attraktiver machen, aber wie?!“ )… offensichtlich bedarf es eines Bildes, das die Potentiale des Engagements aufzeigt, für einen selbst und die anderen.
Ja, das stimmt! Für die NPO-Blogparade wollte ich eigentlich noch etwas anderes schreiben, aber vielleicht greife ich dies dann wieder auf. Mal schauen…
Allerdings sind die Sachen, die in Startrek visionär vorkamen, nie eins zu eins im realen Leben gelandet, sondern verändert, an der Wirklichkeit orientiert angepasst übernommen worden. Und einiges (z.B. Laserschwerter, Darth Vader- Masken usw.) hat es nur in die Spielzeugläden geschafft; warum?
Nun, vielleicht, weil diese Dinge nicht wirklich alltagskompatibel waren/sind.
Wenn ich von hier aus auf das Thema „Bildung, Fachlichkeit, Spiritualität“ in der Diakonie schaue, heißt das, dass es sicher nicht ohne Bild, Vision, Utopie geht (ein Geschäftsführer einer großen, erst in den letzten Jahren neu entstandenen Komplexeinrichtung im entkirchlichten Osten Deutschlands sagte mir neulich, dass er davon träume, dass alle Verantwortlichen der mittleren Führungsebene Diakone seien), die Arbeit an der Verwirklichung aber dieses Bild zwangsläufig verändern wird (wieder mein Geschäftsführer: Es gehe in der Praxis der diakonischen Bildung nicht um die Diakonwerdung der Mitarbeitenden, sondern um deren praktische Handlungsfähigkeit im Horizont von Leitbild und Profil).
Es ist wie immer: Man kann vieles organisieren und veranstalten, ob ein Bild erreicht wird, ist letztlich unverfügbar; glaubend gesprochen: eine Gabe des Heiligen Geistes.
Lieber Herr Nietzer,
da verwechseln Sie aber Star Trek mit Star Wars! Star Trek ist eine „richtige“ Science-Fiction-Serie mit etlichen Staffeln (und Ablegern), Star Wars ist ein Märchen (das halt in der Zukunft spielt). Felix von Leitner ging es um Star Trek (und nennt ja auch Star Wars als Negativ-Beispiel bei der Frage, wie „realistisch“ die Bilder sind…).
Dass die Verwirklichung des Bildes das Bild selbst verändern kann ist natürlich völlig richtig, da haben Sie recht. Viel spannender finde ich aber gerade den umgekehrten Gedanken: Ein Bild kann Wirklichkeit verändern!
Zu Ihrem letzten Satz: Die Unverfügbarkeit ist ein wichtiger Gedanke. Aber dieser Gedanke kann auch leicht genutzt werden, um sein eigenes Tun (oder die Kraft seiner eigenen Vorstellungen) wieder zu relativieren. Antoine de Saint-Exepury hat mal gesagt: „Jedes starke Bild wird Wirklichkeit“. Bei aller Unverfügbarkeit – da ist was dran! Oder?
Sie haben recht – und ich war zu flüchtig; trotzdem gilt auch für Star Trek, dass manches eher in der Ecker für Speielerein landet – sicher viel weniger als bei Star Wars, aber doch immerhin.
Aber dass ein Bild, eine Idee die Voraussetzung für Veränderung ist, wollte ich nicht in zweifel ziehen, vielmehr wollte ich den Gedanken verstärken; die liberale These, dass wir alle voraussetzungslose Gestalter unserer eigenen Entwicklungen seien, halte ich für nicht stichhaltig. Ohne Anlaß und Ziel käme nichts raus.
Am Ende halte ich fest: Jedes starke Bild mag Wirklichkeit werden, wie dieses Werden aussieht – und was für Weiterungen dieses Wirklichkeit gewordene Bild dann in der Gegenwart hat – das entzieht sich dem, der das Bild gemalt hat (dass Handys in die Schuldenfalle führen können, hat Gene Roddenberry wohl kaum geahnt).
Zustimmung. Habe ich bei Harald Welzer und Co. im Futurezwei-Allmanach ähnlich gelesen und gelernt und denke mittlerweile drüber nach, wie in Kirche und Gemeinde entsprechende Zukunftsworkshops aussehen könnten, die an einigermassen realisitische Zukunftsszenarien anknüpfen.
Wunderbar, das gefällt mir!
Dann verlinke ich hier mal deinen Artikel, zum „Denken in Futur II“ – ich hab’s da auch gerade kommentiert. http://blogmatthiasjung.wordpress.com/2013/08/20/in-futur-ii-traumen/