Die reformierte Kirche im Kanton Zürich hat ihr neues Diakoniekonzept veröffentlicht. Ich kann die Lektüre nur wärmstens empfehlen! (Hier gibt es das PDF).
Das Zürcher Diakonie-Konzept ist eine gut strukturierte und ansprechend gestaltete Orientierungshilfe für die Diakonie der Kirchengemeinden. Von Grundsatzfragen bis hin zu konkreten Reflexionshilfen bietet das Papier einen Rundumschlag zur Organisation der Gemeindediakonie, fundiert und substanziell. Beispielsweise ist mir bisher kaum solch ein erkenntnisreicher Schweinsgalopp durch die Diakoniegeschichte begegnet. Auch die vier diakonischen Arbeitsweisen sind zwar äußerst knapp, aber gut (S. 48). Respekt.
Mit Hilfe des Diakonie-Konzepts sollen Kirchengemeinden in die Lage versetzt werden, ihr eigenes Diakonieprofil zu entwickeln. Daher gefällt mir besonders, dass zunächste einmal einige wichtige Dimensionen geklärt werden. Die wesentlichen sind:
- Rolle der Diakonie: Diakonie als Pionieren, als Stellvertreterin, als ergänzende Kraft (S. 35),
- Aktionsradien: lokal, übergemeindlich, weltweit (S. 33-34),
- Akteure: freiwillig Engagierte, Kirchenpfleger, Sozialdiakonat und Pfarramt (S. 49-51),
- Zielgruppen: Menschen in vielfältigen Lebensformen, Jugendliche und junge Erwachsene, ältere Menschen und Hochbetagte (S. 29-31),
- Kernthemen: Gesundheit und Wohlergehen, Existenz und Arbeit, Zugehörigkeit und Teilhabe (S. 37-41),
- Kulturen: Kultur der Wertschätzung, Kultur der Gestaltung, Kultur der Gastfreundschaft (s. 37-41).
Als zentrales Tool wird eine „Zwölffeldertafel“ (S. 28) entwickelt, in der Zielgruppen, Kernthemen, Kukturen und Aktionsradien zusammengefasst werden. Das überzeugt mich allerdings nicht so ganz, denn die Matrix wirkt doch recht konstruiert (als Konzept gut, aber als Reflexionstool scheint sie mir dann überfrachtet).
Das Thema Teilhabe müsste meiner Meinung nach wesentlich stärker ausgearbeitet werden: Wie steht es um die Teilhabegerechtigkeit in der Schweiz? Welche Teilhabemöglichkeiten bieten Kirchengemeinden? Vielleicht wirkt sich auf die Formulierung solch eines Konzeptes dann ja doch aus, dass wir uns in einer der reichsten Regionen Europas befinden…?!
Dafür hat das Zürcher Papier an einer anderen Stelle deutliche Stärken: Diakonie wird in dem Papier als kirchliches Handlungsfeld verstanden, das sich strategisch ausrichtet und sich nicht über moralinsauren Aktionismus behauptet. Gerade das ist wichtig, um innerkirchlich auch tatsächlich ernstgenommen zu werden. Ein Weltretter- und Wir-sind-die-Guten-Image, das sich bemerkenswert häufig in diakonischen Positionspapieren wiederfindet (natürlich nicht offensichtlich, aber doch als wahrnehmbarer Subtext), macht Diakonie eher lächerlich. Das Zürcher Papier ist dagegen frei von Betroffenheitspathos. Dafür bietet es aber einen sehr konkreten Vorschlag zum Umfang von Personalstellen (S. 56-58) und einen Ansatz zur Verhältnisbestimmung von Pfarramt und Sozialdiakonat (S. 52).
Davon kann man sich eine Scheibe abschneiden!