Der Beginn einer kleinen Serie zu Aspekten urbaner Spritualität. In der letzten Zeit bin ich auf einige konkrete Ansätze gestoßen, die man alle unter dem Titel „Spiritualität der Stadt“ zusammenfassen könnte. Und all diese Ideen sind interesanter Weise deutlich diakonisch grundiert (jedenfalls in meinen Augen). Deshalb möchte ich sie in loser Reihenfolge vorstellen. Ich beginne mit der Idee des Stadtgebets, ein „wöchentliches Tagezeitengebet“ mit Stadt-Bezug samt städtischer Gebetsgemeinschft.
Ich habe es durch Zufall entdeckt: Stadtgebet – Ermutigung zu einer neuen Gebetsform, von Hans-Heinz Riepe, mittlerweile nur noch antiquarisch erhältlich.
Das Stadtgebet ist ein halbstündiges, wöchentliches Abendgebt (samstags 18:30), mit einer klaren, einfachen Form.
„Themen, Probleme, freudige oder traurige Anlässe und Anliegen der Menschen sollen im „Stadtgebet“ nicht diskutiert, sondern im Gebet vor Gott gebracht werden.“ (S. 19)
Jedes Stadtgebet steht unter einem Thema, das einen Ortsbezug hat. Die Form erinnert mich ein bisschen an das Politische Nachtgebet, aber das Stadtgebet bezieht sich in erster Linie auf die konkreten Anliegen der Menschen vor Ort und scheint mir stärker liturgisch ausgerichtet zu sein.
Dieses Buch gibt die Erfahrungen mit einer neuen Form der Tagzeitenliturgie wieder. „Neu'“an dieser Form sind nicht die einzelnen Elemente (…). Das „neu“ bezieht sich zunächst einmal auf unsere Stadt und dann auch auf den spezifischen Aspekt des „Stadt“gebets. Reizvoll neu waren unsere Erfahrungen mit dem „Sitz im Leben“, den dieses Gebt für die Stadt und in der Stadt hat. Dass ein Gebet Veränderungen in den Gemeinden auslöst und Auswirkungen bis in die Öffentlichkeit unseres Gemeinwesens hinein hat, war bisher jedenfalls keine alltägliche Erfahrung. (…) Ganz aus dem Evangelium und ganz aus der Situation heraus zu beten ist das Anliegen, gemäß der Aufforderung beim Propheten Jeremia (29,7): „Suchet der Stadt Bestes, in die ich euch geführt habe, und betet für sie zum Herrn; denn in ihrem Wohl liegt auch euer Wohl“ (S. 7).
Das „Stadtgebet“ greift die Tradition des Tagzeitengebets auf, freilich als wöchentliches, nicht als tägliches Gebet. Hans-Heinz Riepe schildert daher in seinem Buch auch einen Aspekt, der für das praktische Gelingen wie für das theologische Verständnis einer solchen Gebetsform wichtig ist:
Da wir hier keine Klostergemeinschaft haben, die den Kern der Betenden stellen könnte, müssen wir in Schwerte eine „Gebetsgemeinschaft Stadtgebet“ neu gründen. Sie soll sicherstellen, dass an jedem Samstagabend das Stadtgebet stattfinden kann. Konkret gesprochen müssten, damit an 50 Samstagen im Jahr jeweils 20 Beter versammelt sind, sich mindestens 250 Gemeindemitglieder verpflichten, 4mal im Laufe des Jahres am Stadtgebet teilzunehmen. Nur wenn die Zahl erreicht wird, macht es Sinn, mit dem Gebet überhaupt zu beginnen, da es sich sonst nach allen Erfahrungen nichtz durchträgt (S. 19).
Mir gefällt das sehr. Und zwar deshalb, weil hier zwei gute Ideen zusammenkommen und beide ernst genommen werden: lokaler Bezug bzw. urbaner Kontext und liturgisch klare Form, inklusive Gebetsgemeinschaft.
Solch eine Gebetsform kann eine Bereicherung für gemeinwesendiakonische Ansätze sein. Und umgekehrt: Gemeinwesendiakonisches Engagement bereichert solch eine liturgische Form durch die Kenntnis der konkreten Anliegen des Ortes. Eine nicht zu lang dauerende und klare Form bietet zudem die Chance, dass Menschen, die bisher wenig oder keine kirchlichen Bezüge haben, Kirche und Gebet (neu) entdecken können.