Teilhabe ist in aller Munde. Die Verwendung des Begriffs weist im sozialen Bereich mittlerweile eine deutlich inflationäre Tendenz auf. Das hat seinen Ursprung natürlich im SGB IX, das den Teilhabe-Begriff ja im Titel trägt: Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Doch in Folge dessen wird im Sozialsektor auf einmal jede Maßnahme, jede Intervention, jede Sozialleistung zu einer Teilhabeleistung, die sozialen Organisationen – allen voran die Diakonie – sind nun Teilhabe(leistungs)anbieter.
Wenn man einmal von dieser Bedeutung von „Teilhabe“ absieht, ist es ein recht abstrakter Begriff. Teilhabe erschließt sich nicht so leicht. Der Begriff drückt mehr aus als einfach nur Beteiligung bzw. Partizipation. Trotzdem wird immer von dieser Bedeutung ausgegangen, wenn der Begriff „Teilhabe“ in andere Sprachen übersetzt werden soll. Denn Teilhabe ist eines jener deutschen Wörter, das in anderen Sprachen kein eindeutiges Äquivalent hat. (Wie zum Beispiel auch der Begriff „Bildung“, der immer als „Erziehung“ übersetzt wird oder der Begriff „Sucht“, den es in anderen Sprachen nur als „Abhängigkeit“ gibt.)
Also: Teilhabe = Beteiligung. Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Was ist also das „Mehr“ oder das Besondere dieses Begriffs? Ich versuche nun einen Zugang zum Teilhabe-Begriff zu bekommen, in dem ich die verschiedenen Facetten auffächere, die für Teilhabe meiner Meinung (Ahnung?) nach wesentlich sind.
Teilhabe hat für mich drei konstitutive Dimensionen, die ich mit einer kleinen „Formel“ ausdrücken will:
Teilhabe = Teilnahme + Teilgabe + Teil sein.
Die Pluszeichen drücken dabei aber keine summarische Addition aus, sonder sollen einfach die Dimensionen anzeigen, die Wesenselemente. Diese will ich kurz erläutern.
Teilhaben bedeutet zunächst einmal – schlicht und einfach – Teilnehmen. Das mag Manchem vielleicht etwas zu schlicht sein, aber nichtsdestotrotz ist es in meinen Augen eine wesentliche Facette von Teilhabe. Teilhabe besteht zu einem guten Teil aus – sozialer, kultureller, politischer, religiöser, wirtschaftlicher, … – Teilnahme. Teilnahme setzt Aktivität voraus, denn nur jeder selbst kann an etwas teilnehmen (man kann nicht „teilgenommen werden“), trotzdem kann Teilnehmen von der Sache her recht passiv sein, es hat etwas Konsumierendes. Man nimmt mehr als man gibt (was aber auch völlig in Ordnung sein kann).
Teilhaben bedeutet auch, sich einzubringen, etwas von sich zu geben, etwas beizutragen. In letzter Zeit gesellt sich immer häufiger das Kunstwort „Teilgabe“ zur „Teilhabe“ hinzu. Ich meine auch eine deutliche Tendenz dieser Verwendung im kirchlichen Bereich ausmachen zu können. Der Grundgedanke ist, dass es schließlich nicht nur ums „Haben“ geht, sondern auch ums „Geben“. Ich finde das völlig richtig, aber ich will die beiden Begriffe nicht gegenüberstellen. Teilgabe ist für mich eine Dimension von Teilhabe und nicht ein komplementäres Element zur Teilhabe.
Teilhaben vollzieht sich aber auch jenseits vom bloßen Geben und Nehmen. Teihaben bedeutet auch, Teil (von etwas) zu sein. Teilhabe ist für mich sogar ganz wesentlich Teil sein. Ich bin Teil eines kleineren oder größeren Kollektivs, besser natürlich, wenn ich Teil sein kann von vielen verschiedenen Kollektiven. Teilhaben heißt in diesem Sinne, sich zugehörig zu fühlen, eingebunden zu sein. Teil sein kann einfach dabeisein bedeuten (auch das hat seinen Wert!), es meint aber vor allem dazu zu gehören.
Teilhabeleistungen sollen daher ermöglichen, partizipieren zu können (teilnehmen), sich einbringen zu können (teilgeben) und dabeisein oder dazugehören zu können (teilsein). Damit ist noch nichts gesagt über die Frage, worauf sich Teilhabe inhaltlich bezieht (also: Teilhabe an was?), aber vielleicht ist dies zumindest ein pragmatischer Zugang, um sich den Teilhabe-Begriff zu erschließen.
Ich finde es gut, wenn über Teilhabe genauer nachgedacht wird. Ich würde es auf folgende Weise tun, die die obigen Überlegungen nicht ausschließt, sondern ergänzt. Teilhabe ist unkonkret, wenn nicht mitbedacht/-definiert wird,
– wer
– als wer bzw. in welcher Rolle (Mensch, Bürger, „Behinderte/r“, „sans papier“)
– woran
– auf welche Weise (aktiv/passiv, konsumierend/gestaltend usw.)
– auf welcher Basis (rechtlich/ethisch…)
Teil hat.
Das führt zu erheblichen Unterschieden. Ohne diese Klärung, kann auch schlichtes Am-Rand-Stehen und zuschauen als „Partizipation“ gewertet werden – ob das gemeint ist?
Lieber Thomas Zippert, vielen Dank! Das schließt sich in der Tat nicht aus, mir ging es ja erstmal nur darum, die „Arten und Weisen“ von Teilhabe zu differenzieren. Entscheidend ist natürlich vor allem, woran man Teilhabe hat, das hatte ich ja auch bereits erwähnt. Die Idee von „konsumierend – gestaltend“ steckt meiner Meinung nach schon zu einem Teil in teilnehmen (eher konsumierend) und in teilgeben (eher gestaltend). Was auch noch fehlt, sind die verschiedenen „Referenzen“ des Teilhabens, also z.B. politische Teilhabe, religiöse, kulturelle, (markt)wirtschaftliche – und natürlich auch rechtliche. Mit den Aspekten, die Sie noch ergänzen, kann man den Teilhabe-Begrfiff doch wirklich etwas „ins Fleisch ziehen“ – das Verständnis von Teilhabe wird dann facettenreich und vor allem: konkret