Soziale Medien in sozialen Organisationen. Einige Erkenntnisse aus der Blogparade

Durch die CCCD-Blogparade (siehe dazu meinen vorherigen Beitrag) konnte ich einige Entdeckungen machen: mir bisher nicht bekannte Blogs und neue Erkenntnisse über das Verhältnis von sozialen Medien und sozialen Organisationen. Hier einnmal ein subjektiver Ausschnitt, immer mit der Frage im Hinterkopf, was dies alles für die Diakonie bedeuten kann.

Marcel Gluschak beschreibt eine oft anzutreffende Haltung von Nonprofit-Organisationen gegenüber den sozialen Medien, die meiner Meinung nach auch für Kirche und Diakonie zutrifft:

„Bis vor wenigen Jahren war es selbstverständlich, dass eine Organisation ihre gesamte Kommunikation zentral steuern konnte. Wann welches Thema wichtig war, entschieden die Experten, nicht die Unterstützer. Seit Social Media haben NPOs diese Steuerung nicht mehr komplett in ihrer Hand. Das ist irgendwie unheimlich – doch auf der anderen Seite will man auch bloß keinen Trend verpassen oder neue Zielgruppen ausgrenzen. Das Resultat ist oft ein Social Media-Aktionismus, bei dem es eher darum geht, die Effekte von Social Media zu nutzen, als ihre strukturelle Wirkungskraft.“

Daher ist es ganz interessant, einmal einen Blick darauf zu werfen, welche social media-Kanäle denn in sozialen Organisationen überhaupt genutzt werden. Katrin Kiefer führt seit 2009 eine jährliche Erhebung zu den social media-Kanälen von NGOs durch. Interessanter Weise zählt zu ihrer Stichprobe (jeweils 20 Organisationen aus den Bereichen Naturschutz, Internationales und Soziale Dienste) auch der Diakonie-Bundesverband. Pi mal Daumen zwei Drittel dieser 60 Organisationen haben einen Youtube-Kanal, Facebook-Profile und Twitter-Accounts, und ein Drittel betreibt Blogs. Interssant wäre es sicherlich, solch eine Untersuchung speziell für die Diakonie durchzuführen. Und dann auch zu fragen, wozu diese Formate eingesetzt und was mit ihnen erreicht werden soll.

Beim Einsatz von social media geht es sozialen Organisationen vorrangig um Information und Marketing, dialogische oder stärker politische Intentionen stehen dahinter zurück, bemängelt Julia Russau. Den Grund dafür sieht sie darin, dass die sozialen Medien vor allem als Reaktionsmöglichkeit auf die drängenden (ökonomischen) Herausforderungen sozialer Organisationen eingesetzt werden:

„Die großen Themen, mit denen sich soziale Organisationen zurzeit beschäftigen, scheinen vor allem drei: Finanzen, Image und Fachkräftemangel. So ist es kaum verwunderlich, das diese Ausrichtung auch in den Social Media-Aktivitäten deutlich wird, die vornehmlich auf Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit oder Personalrekrutierung zielen.“

Marc Boos betreut die social media-Initiativen der Caritas und bringt ein Beispiel an, das die Schwierigkeiten beim Einsatz sozialer Medien gut illustriert: Beim Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin hat sich auch die Caritas mit einem Vorschlag zur Abschaffung der Praxisgebühr beteiligt. Gute Sache, doch der Vorschlag zur Legalisierung von Cannabis konnte sich über das Zweihundertfache an Unterstützern freuen – und brachte es damit auf den Tisch von Frau Merkel.

Die (konfessionellen) Wohlfahrtsverbände müssen sich daher wohl noch stärker mit der Frage beschäftigen, wie es gelingen kann, sich effektiv für und mit anderen einzusetzen. Hier haben diese Verbände auch etliches an Erfahrung vorzuweisen – neu sind hingegen die Herausforderungen  digitaler Beteiligungsprozesse.

„Um dem gerecht zu werden, muss die Caritas in der Bürgergesellschaft aktiv und präsent sein. Das gilt vor Ort, wo sich Caritasvertreter an Bürgerplattformen beteiligen, in sozialraumorientierten Projekten auf die Eigeninitiative und Selbsthilfe der Bevölkerung setzen oder die Freiwilligenzentren des Verbandes mit unterschiedlichen Partnern kooperieren. Und es gilt für das Internet, in dem soziale Medien und soziale Netzwerke neue Formen der Beteiligung und des Dialogs möglich machen“ (Marc Boos).

Dies führt dann auch direkt zu einer weiteren Frage: Wie kann man beim Thema Beteiligung die „Offliner“ ins Netz bringen?

Genau hier bringt Brigitte Reiser es sehr gut auf den Punkt, wenn sie für die digitale Inklusion als essentielles Thema sozialer Organisationen plädiert:

„Für manche Organisationen im Dritten Sektor ist die digitale Inklusion ihrer Mitglieder und Klienten aber kein Thema, für das sie sich verantwortlich halten. Viele bleiben ganz eng ihrem Dienstleistungszweck verhaftet, und der hat in der Regel nichts mit dem Internet zu tun. Aber eine gemeinnützige Organisation ist mehr als nur ein Dienstleister. Sie ist Teil unseres demokratischen Gemeinwesens und spielt eine wichtige Rolle als zivilgesellschaftlicher Akteur. Dazu gehört auch, dass sie ihre Arbeit für und mit den Stakeholdern um eine digitale Dimension erweitert und jene mit nimmt, die bisher von den Online-Beteiligungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind.“

An dieser Stelle noch einmal zur Caritas: Dass eine digitale Inklusion nicht nur eine akademische Idee ist, sondern ein umsetzbares Projekt mit vielfältigen Effekten, hat die Caritas schon 2009 mit dem Blog-Projekt Mitten am Rand beeindruckend unter Beweis gestellt.

Der Begriff „digitale Inklusion“ gefällt mir gut. Teilhabe- und Inklusionsprozesse müssen die Möglichkeiten digitaler Beteiligung viel stärker in den Mittelpunkt rücken. Allerdings darf hier auch nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden. Marcel Gluschak warnt deshalb auch davor, dass der Einsatz von social media nicht als Alternative zu klassischen Engagementformen verstanden werden darf.

„Konventionelle Instrumente, nicht zuletzt im Offline-Bereich, behalten ihre Bedeutung und funktionieren im Idealfall in der Wechselwirkung mit Social Media. Das soziale Netz bietet großartige Möglichkeiten für die Aktivierung der Zivilgesellschaft – es sollte ebenso wenig unterschätzt wie überschätzt werden.“

Denn sonst leistet man einem neuen Problem Vorschub: dem Slacktivism (die Ausgabe #21 des Enter-Magazins widmet sich genau diesem Phänomen).

2 Kommentare zu „Soziale Medien in sozialen Organisationen. Einige Erkenntnisse aus der Blogparade“

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