„Die beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände in Deutschland wollen die Einkäufe in ihren bundesweit rund 35.000 Einrichtungen komplett auf Ökoprodukte umstellen“, so eine Meldung auf evangelisch.de vor einem Jahr. Das klingt erst einmal gut. Caritas und Diakonie haben eine erhebliche Marktmacht: „An dem auf 60 MRD Euro geschätzten Gesamtvolumen kirchlicher Beschaffung in Deutschland haben mit ca. 80% Einrichtungen der Diakonie und Caritas den größten Anteil“ (Quelle: Zukunft einkaufen). Doch wie realistisch ist eine Umsetzung?
Der Evangelische Entwicklungsdienst (eed) und Brot für die Welt haben nun eine Untersuchung vorgelegt, die die gegenwärtige Beschaffungspraxis in diakonischen und kirchlichen Einrichtungen darstellen will. Es geht dabei nicht nur um öko, sondern auch um fair. Das Ergebnis lautet, kurz gesagt:
„Trotz diverser Beschlüsse ist ökofaire Beschaffung bisher kaum in der kirchlichen Praxis angekommen“ (S. 45).
Eine „systematische ökofaire Beschaffung [ist] nur bei einer sehr kleinen Anzahl dieser Einrichtungen präsent“ (S. 43).
„Evangelische Einrichtungen bleiben bei der Beschaffung heute noch weit hinter dem zurück, was sozial und ökologisch für Zukunftsfähigkeit und eine gerechte Weltwirtschaft notwendig ist. Ihre Möglichkeiten der ökofairen Beschaffung schöpfen sie nicht aus“ (S. 43).
Bei „ökofair“ kommt einem natürlich als erstes der Kaffee in den Sinn. Und das zeigt sich auch in der Studie:
„Der fair gehandelte Kaffee hält seine Vorreiterposition als ökofaires Konsumgut, spaltet jedoch gleichzeitig die Einrichtungen in die Extreme: Entweder der Kaffeeverbrauch ist nahezu vollständig auf ökofaire Produkte umgestellt oder gar nicht“ (S. 9).
Die Studie wirft aber nicht nur einen Blick auf den Klassiker Kaffee, sondern auf vier große Bereiche: Verpflegung, Energie, Bürobedarf und Mobilität. Der Untersuchung liegt eine schriftliche Befragung von ausgewählten Einrichtungen zugrunde. Dabei werden sieben verschiedene Arten von Einrichtungen befragt: Kirchengemeinden, KiTas, Verwaltungen, Ausbildungsstätten, Tagungshäuser, Einrichtungen der Kranken- und Altenhilfe und der Behinderten- und Jugendhilfe.
Das ist eine große Breite an äußerst unterschiedlichen Einrichtungstypen. Und alle sind von Ausmaß und logistischer Umsetzung der Beschaffung völlig unterschiedlich, so dass ich mich frage, ob man überhaupt zu aussagekräftigen Erkenntnissen ökofairer Beschaffungspraxis „in Kirche und Diakonie“ kommen kann. Der schriftichen Befragung liegt zudem nur eine äußerst geringe Anzahl diakonischer und kirchlicher Einrichtungen zugrunde, die sich an der Untersuchung beteiligt haben, bei derzeit 15.000 evangelischen Kirchengemeinden und 28.000 diakonischen Einrichtungen. Pauschale Forderungen wie diese werden bei so einer Vielzahl und Vielfalt an Organisationen dann auch wenig bewirken:
„Es muss der Anspruch aller kirchlichen Einrichtungen sein, die bestehenden Optionen der ökofairen Beschaffung schnellstmöglich und umfassend umzusetzen“ (S. 45)
Dem ist natürlich zuzustimmen. Aber ich glaube nicht, dass die nicht zufriedenstellende Beschaffungspraxis an mangelndem Willen von Diakonie und Kirche liegt. In der Öffentlichkeit wird dies natürlich gerne unterstellt, es ist ein wiederkehrendes Mem („Die beschließen viel, aber handeln selbst nicht danach!“). Vielleicht ist es hilfreicher, wenn man die einzelnen (und völlig unterschiedlichen) Schwierigkeiten benennt und konkrete Tipps mitliefert, wie man sie bewältigen kann.
Beim Durchblättern der Studie fand ich daher vor allem interessant, welche konkreten Hindernisse eine ökofaire Beschaffung erschweren. Zum Beispiel fehlt es zum Teil an Lieferanten mit ökofairen Angeboten, die den Anforderungen von Großeinrichtungen überhaupt gerecht werden können (S. 43). Bei Kirchengemeinden gibt es ganz andere Probleme. Dort kaufen nämlich viele verschiedene Leute ein und „im ungünstigsten Fall definiert jeder die Kriterien für den Einkauf und die bestmögliche Option selbst und anders“ (S. 37).
In diesem Sinne ist die Untersuchung eine anregende Lektüre. Und wer das Thema in Kirche und Diakonie vorantreiben will, findet noch eine beeindruckende Zusammenstellung der Beschlusslage in Kirche und Diakonie (eine Liste über 8 Seiten!) und Verweise auf nützliche Internetseiten. Einen Kurzbericht zur Studie gibt es hier.