Diakonie ist nicht einfach „helfen“ (wenngleich Diakonie natürlich eine Menge mit Helfen zu tun hat), Diakonie ist nicht einfach „Sozialarbeit in kirchlicher Trägerschaft“ (wenngleich sich Diakonie natürlich sehr häufig in dieser Form manifestiert). Aber was ist denn nun Diakonie? Ich beginne hiermit eine Serie an Beiträgen, in denen diese Frage immer wieder gestellt und immer wieder neu beantwortet wird.
Wenn man Diakonie mit theologischen Größen „zu packen kriegen“ will, werden meist Nächstenliebe und Dienst (bzw. Dienen) als erstes genannt. Beides ist nicht falsch – Diakonie ist Dienst am Nächsten – aber erklärt das wirklich etwas? Es braucht meines Erachtens andere theologische Begriffe, um zu beschreiben, was Diakonie meint. Begriffe, die sowohl eingängiger als auch sperriger sind als Nächstenliebe. Begriffe, die besser zum tieferen Kern des Diakoniegeschehens vordringen können.
Hier ein Vorschlag: Diakonie ist Versöhnung, Verwandlung, Bevollmächtigung. Alle drei Begriffe sind Prozess-Begriffe. Und das passt, denn Diakonie ist viel mehr ein Geschehen als ein Ergebnis oder eine konkrete Tat. Diakonie ist die Art von Geschehen, in dem Versöhnung geschieht, in dem sich Wandel vollzieht, in dem Menschen bevollmächtig werden.
Verwandlung, Versöhnung, Bevollmächtigung – dies ist der Untertitel einer aktuellen Diakonie-Publikation des Lutherischen Weltbundes (LWB). Und diese drei Begriffe beschreiben eben genau das, was Diakonie meint:
„Als integraler Teil der Mission der Kirche sind diese drei Dimensionen folglich auch Schlüsselbegriffe für die Diakonie: sie sind grundlegende Wegweiser für die diakonische Arbeit. Gleichzeitig sind Verwandlung, Versöhnung und Bevollmächtigung Indikatoren dafür, wie die Arbeit geleistet wird und an welchen Werten sie sich orientiert (…) Wir müssen alle verwandelt, versöhnt und bevollmächtigt werden. Aus diesem Grund benötigen wir alle Diakonie; zuerst Gottes Diakonie, wie sie in Jesus Christus offenbart wurde, und dann auch Diakonie im Sinne der gegenseitigen Fürsorge und Weggemeinschaft“ (S. 43; S. 44).
Die Reflexionen zu diesen drei theologischen Größen sind lesenswert, genau wie die ganze Publikation. „Diakonie im Kontext – Verwandlung, Versöhnung, Bevollmächtigung“ ist der komplette Titel. Er spielt auf eine einige Jahre zuvor erschienene LWB-Publikation an: Mission im Kontext (2005), mit eben demselben Untertitel. Der Text hat mich aufgrund seines grundlegenden Charakters immer wieder an die Diakonie-Denkschrift Herz und Mund und Tat und Leben (1998) der EKD erinnert. Allerdings wurde mir durch diese Lektüre deutlich, an welchen Stellen die Denkschrift begrenzt ist. Denn dort wird Diakonie in erster Linie als organisierte Diakonie verstanden und über die verschiedenen Arbeitsfelder beschrieben. Das LWB-Papier geht von den ökumenischen Kontexten aus (dadurch ist nicht alles auf die deutsche Situation übertragbar) und versucht wesentlich stärker mit theologischen Reflexionen die diakonische Identität zu beschreiben.
Was ist Diakonie? Diakonie ist ein versöhnendes, verwandelndes und bevollmächtigendes Geschehen.
Frohe Weihnachten!
Auf den Seite des LWB ist der Text leider nicht zu finden. Er kann für 4€ bestellt werden beim Deutschen Nationalkomitee des LWB.
UPDATE 2015-02-13: Die Publikation ist mittlerweile als PDF frei erhältlich. (Danke, Thomas!)
UPDATE 2011-12-18: Ich sehe jetzt (erst), dass es die Publiaktion als PDF gibt (auf englisch)!
Ich möchte gerne ein „Thumbs up“ für Ihre Seite „diakonisch.de“ übermitteln. Die hier behandelten Themen beschäftigen mich auch, und Sie weisen auf einige Aspekte hin, die in der organisierten Diakonie mitunter ein wenig in den Hintergrund zu treten scheinen.- Wie es aussieht, muss ich mir wohl auch die Diakonie-Publikation des LWB beschaffen!
Ein frohes und gesundes Jahr 2011 wünscht Ihnen und allen Lesern dieses Blogs
C. Michel