Der Europäische Diakonie-Kongress, gleichzeitig die dritte Konferenz des European Network for the Study of Diaconia, ist heute Mittag zu Ende gegangen. Gastgeber war das DWI in Heidelberg, in Kooperation mit dem DW-EKD. Ein paar Eindrücke möchte ich an dieser Stelle wiedergeben.
- Ein durch und durch internationales Publikum.
Ich finde es immer wieder interessant zu beobachten, wie man sich an Begegnung und Austausch herantastet, wenn man nicht die Muttersprache nutzt. Ich muss ja zugeben, dass ich das viel zu wenig gewohnt bin. Deutschland ist nun einmal das größte Land Europas, da kann man sich sein ganzes (Berufs-)Leben lang auf Tagungen im eigenen Land herumtreiben, ohne auf eine gemeinsame Ausweichsprache angewiesen zu sein. Das ist freilich keine gute Haltung. Ich brauche für so etwas immer den äußeren Zwang, englisch sprechen zu müssen. Ging.
- Trotzdem war es irgendwie sehr deutsch – nur halt auf englisch.
Wenn sich nach den ersten Vorträgen gleich ein Diskurs um Mindestlöhne entspannt, dann ist das schon eine sehr deutsche Diskussion. Nur eben nicht auf deutsch. Alle Hauptvorträge waren zudem westeuropäisch. Was ich/wir wohl immer mal wieder lernen müssen: Die Mitte Europas liegt in dem, was wir „Osteuropa“ nennen: in Litauen. Diakoniewissenschaft ist immer sehr deutsch und sehr skandinavisch geprägt (gewesen). Ich freu mich auf die zunehmenden osteuropäischen Diskurse.
- Was ist eigentlich Diakonie?
Genau in diesem Zusammenhang fiel auch auf, dass wir zwar alle den Begriff „Diakonie“ nutzen, aber doch recht unterschiedliche Inhalte damit verbinden. Eine deutsche Diakonie, die subsidiär mit dem Sozialstaat verflochten ist und in hohem Maße institutionell ausgeprägt ist, ist eben etwas ganz (ganz, ganz,…) anderes als diakonische Einrichtungen, wie sie sich in Osteuropa etablieren. Die entscheidende Frage ist für mich dabei: Können wir einen theoretischen Rahmen finden, der diese unterschiedlichen Kontexte von Diakonie klärt und systematisiert, um in unseren Diskussionen und Forschungen mit den verschiedenen Verständnissen angemessen umgehen zu können? Wenn das nicht gelingt, dann ist nämlich irgendwie alles und nichts „Diakonie“. Und dann macht gemeinsame Forschung auch keinen wirklichen Sinn.
- Es besteht ein deutliches Interesse an theologischer Reflexion.
Interessant war, dass sich die wahrscheinlich größte Arbeitsgruppe zur Frage nach dem Nutzen der theologischen Grundlagen diakonischer Identität zusammengfunden hat. Ninni Smedberg nutzte dazu die 5 Dimensionen Creation, Fellowship, Praise, Justice und Care aus dem Eurodiakonia-Papier „Faith in Social Care“. Ich muss zugeben, dass mich nicht alle theologischen Überlegungen überzeugt haben (und es auch Manches gab, was ich so nicht teile), aber es war deutlich erkennbar, dass es ein Verlangen nach expliziter theologischer Fundierung gibt – und nicht nach einer nacheilenden Legitimation oder einer christliche Soße, die noch schnell über die Diakonie gekippt wird.
- Diakoniker-Nachwuchs und Diakonie-Szene
Besonders interessiert hat mich die „Sektion für eingereichte Beiträge von Nachwuchswissenschaftlern“ – nur: sie fiel aus. Der Call for Paper stieß auf keine Resonanz. Schade. Richtig schade. Und dabei musste ich noch einmal darüber nachdenken, wie „groß“ eigentlich diese „Diakonie-Szene“ ist. Wenn man alle Mitarbeitenden, Funktionäre und Wissenschaftler dazuzählt, die sich im Kontext der Diakonie bewegen, dann müsste sie riesig sein. Aber wenn man nur diejenigen zählt, die sich auch irgendwie als „Diakoniker“ verstehen, ist sie anscheinend doch wieder recht übersichtlich.
- Zur zukünftigen Agenda.
Zum Abschluss hat Tony Addy (von Diak in Finland) noch einmal seine persönlichen Eindrücke zusamengefasst. Im Grunde war das eine Art Forschungsprogramm für die künftigen Jahre. Ich fand seine Gedanken richtig gut. Es ging nur alles so schnell. Ich hoffe, dass er seine stichwortbasierte Rede noch einmal niederschreibt.
UPDATE (2011-03-17): Tony Addys Schlussbemerkungen sind schon längst online, ich hab’s nur nicht bemerkt. Hier sind sie!