Fachkarriere

Fast noch druckfrisch ist der neue Diakonie-Text zur Mitarbeitergewinnung in der Diakonie (Diakonie-Text 05/2010). Das Thema Mitarbeitergewinnung (und -pflege!) wird die Diakonie die nächsten Jahre vollauf beschäftigen. Denn die Belegschaft wird älter, die Anforderungen werden komplexer und genügend Fachkräfte zu finden, wird schwieriger. Das Papier listet gut sortiert elf personalpolitische Herausforderungen auf, samt Beispielen und weiterführenden Hinweisen (es ist eins der wenigen Papiere, bei denen ich selbst jede Fußnote gelesen habe). Deutlich wird in diesem Papier, dass der anstehende Fachkräftemangel der Diakonie wirklich Sorgen bereitet.

Im Bereich der for profit-Unternehmen wird seit einigen Jahren die so genannte „Fachkarriere“ diskutiert, um fachliche Experten ohne Führungsverantwortung das Gewicht zu geben, das ihnen gebührt. Neben der klassischen Führungskarriere soll also eine gleichwertige Fachkarriere möglich sein. Gleichwertig heißt: gleicher Status und gleiche Bezahlung wie bei den entsprechenden Führungspositionen. Guter Ansatz, wenn auch sicherlich mit einigen praktischen Problemen verbunden (siehe hierzu den Artikel „Der andere Weg nach oben“ in der managerSeminare Mai 2010; H. 146, S. 70-75). Auch wenn dieser Ansatz bei den Personalentwicklern nicht gerade das vorherrschende Top-Thema zu sein scheint, wird er zumindest diskutiert und hier und da erprobt.

Wie sieht es diesbezüglich in der Diakonie aus? Das Entscheidende in der Diakonie ist die Fachlichkeit der Mitarbeitenden. Wenn die Fachlichkeit nachlässt, geht es an die Substanz der Diakonie. Die Diakonie müsste daher ebenso Fachkarrieren ermöglichen. Gute Mitarbeiter müssen in der Hierarchie, im Status, in der Bezahlung und im Verantwortungsbereich genau wie Führungskräfte aufsteigen können, ohne automatisch Leitungspositionen einzunehmen.

Der Trend scheint in der Diakonie aber gerade gegenläufig zu sein. Die Diakonie setzt vor allem auf zwei Mitarbeiter- Gruppen: auf die billigen Basisarbeiter ohne Fachausbildung (nennen wir sie „Bibas“) und die „Potenzialträger“, die zu Führungskräften entwickelt werden sollen (Diakonie-Text 05/2010, S. 13). Aber nicht jeder Potenzialträger ist eine gute Führungskraft.

Was ist mit dem „Mittelfeld“ der sozialberuflichen Fachkräfte? Sie machen den Großteil der Mitarbeiter aus. Laut einer in dem Diakonie-Text zitierten Umfrage zur Personalentwicklung in der Diakonie aus dem Jahr 2006 zählen ca. Zweidrittel zu dieser Gruppe (64%; S. 8). Da kann nicht jeder Manager werden. Und irgendwer muss ja auch noch für die Fachlichkeit stehen. Die Mitarbeiter brauchen nicht in erster Linie Programme zur Burnoutvermeidung und Stressreduktion (S. 16) – diese Mitarbeiter brauchen Entwicklungsmöglichkeiten. Sie müssen mit ihrer Fachlichkeit auch etwas werden können. Fachlichkeit darf nicht die Sackgasse in der Diakonie sein.

Die Potenzialträger, aus denen Führungskräfte werden, haben in erster Linie den Auftrag, den Laden am Laufen zu halten. Das ist der Job von Sozialmanagern. Die Potenzialträger der Zweidrittel-Gruppe haben die Aufgabe, die Fachlichkeit mit Leben zu füllen – und vor allem weiter zu entwickeln. Dies muss stärker in den Mittelpunkt der Diskussion um die Mitarbeitergewinnung und -pflege. In dem Diakonie-Text schwingt dieser Gedanke durchgängig mit. Aber vielleicht könnte er noch etwas pointierter ausgeführt werden – vielleicht schon allein dadurch, dass man einen passenden Begriff auf die Tagesordnung setzt, der genau dies transportiert. Dazu eignet sich meines Erachtens eben die „Fachkarriere“.

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